Verfälscht ein schönes Immobilienfoto die Realität?

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 3. Mai 2018 - in: Fragen und Antworten

Verfälscht ein schönes Immobilienfoto die Realität?Immer wieder bin ich verwirrt, wenn ich in meinen Foto-Workshops das Argument höre: „Wir dürfen Immobilien aber nicht ZU SCHÖN fotografieren, um keine zu hohen Erwartungen zu wecken, falls der Interessent die Realität kennenlernt.“ Ich glaube, dass hier die Aufgaben von Immobilienfotos nur unzureichend erkannt wurden. Trotzdem kann man mit einem freundlichen Immobilienfoto Realität abbilden.

Bedeutung von Immobilienfotos

Immobilienaufnahmen haben mindestens diese drei Aufgaben:

  1. dem Betrachter den aktuellen Zustand eines Objektes zeigen,
  2. Interessenten einladen, sich für das Objekt zu begeistern,
  3. die beteiligten Immobilienfachleute als echte Profis präsentieren.

Natürlich geht es es bei der Immobilienfotografie darum, den aktuellen Zustand einer Immobilie zu dokumentieren. Natürlich mit all ihren Vorzügen und natürlich auch mit den möglichen Makeln. Nichts sollte uns ferner liegen, als den zukünftigen Betrachter der Bilder zu täuschen. Doch gerade wenn ein Objekt nicht an allen Stellen perfekt ist, kann ein solide gemachtes Foto wie ein Stimmungsaufheller wirken.

Die letztgenannte Aufgabe eines Immobilienbildes wird häufig absolut unterschätzt. Für viele Makler sind Fotos ganz offensichtlich nicht mehr als das notwendige Übel, mit dem sie die freie Stelle im Exposé füllen müssen. Sie verkennen einen Aspekt: Immobilienfotos sind nämlich fast immer das allererste Marketing-Werkzeug, das ein potenzieller Kunde überhaupt zu sehen bekommt.

Bekanntlich zählt der erste Eindruck und wer hier versagt, hat es schwer, diese Scharte erfolgreich auszuwetzen (wenn er überhaupt dazu die Gelegenheit erhält, weil ein anderer schon mit besseren Fotos die Aufmerksamkeit erhalten hat).

So entstehen gute Immobilienfotos

Für gute Immobilienfotos gibt es zwei wichtige Voraussetzungen:

  1. Der Fotograf soll grundlegende Techniken für die Immobilienfotografie beherrschen. Damit bewältigt er die drei wichtigsten Hindernisse: krasse Lichtqualität, mangelnde Bildschärfe, fehlender Platz.
  2. Das Motiv muss den Betrachter ansprechen. Mit wenigen Grundregeln und etwas Gestaltung lässt sich aus einem durchschnittlichen Objekt eine aufmerksamkeitsstarke Immobilie machen.

Die richtige Technik und exakte Fotografie

Wer eine Immobilie verkaufen möchte, muss sie natürlich von ihrer besten Seite präsentieren. Ziel ist es – und das sollte kein Geheimnis sein – einen angemessenen Preis zu erzielen. Das funktioniert jedoch mit schönen Fotos deutlich besser als mit gedankenlos geknipsten Smartphone-Bildchen.

Welche dieser beiden Aufnahmen eignet sich wohl besser für den Verkauf?
links: mit dem Smartphone geknipst
rechts: rechts mit etwas Fotowissen gezielt fotografiert

Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass Immobilienprofis diese Grundkenntnisse der Fotografie erlernen, die über die Automatikfunktionen moderner Kameras hinausgehen:

  • Ausnutzen der (manchmal versteckten) Funktionen einer Kamera
  • Umgang mit Licht und Schatten
  • Positionierung der Kamera im Raum
  • Bildaufteilung
  • Erzielung der größtmöglichen Bildschärfe

Gute Motive führen zu starken Fotos

Voraussetzung für ein ansprechendes Bild ist, dass sich das Objekt vorzeigbar präsentiert. Dazu ist manchmal ein zusätzlicher Aufwand nötig. Zum Vergleich: Jeder, der ein Auto verkaufen will, fährt damit vorher auch in die Waschanlage. Für die Immobilien bedeutet das: Sauberkeit und Ordnung müssen herrschen. (Bau-)Staub, trübe Fenster, schmutziger Sanitärbereich, Spinnweben und dergleichen sind tabu.

Wer es ernst meint, überlässt das Fahrzeug dann auch schonmal einem Fachmann für die Aufbereitung. Dann erst wird der Wagen fotografiert. Übertragen auf Immobilien heißt das, dass man sich vor dem Fototermin mit Fachleuten zusammensetzt, die etwas von Immobilienpräsentation verstehen.

Und genau das habe ich kürzlich gemacht. Ich habe die Home Stagerin und Marketingfachfrau Claudia Mayer getroffen. Sie hat mir einige interessante Fakten präsentiert und die folgenden Bildbeispiele gezeigt.

Claudia Mayer Home Staging

Claudia Mayer

Dipl. Designerin (FH)
Homestaging Advanced Professional

Claudia Mayer ist mehrfach prämierte Home Stagerin aus Lorch in der Nähe von Stuttgart. Sie wurde 2017 und 2018 mit einem der begehrten DGHR-Stars ausgezeichnet. Eine unabhängige Fachjury aus renommierten Mitgliedern verschiedenster Bereiche der Immobilienbranche vergibt im Namen der Deutsche Gesellschaft für Home Staging und Redesign (DGHR) diesen Preis an Home-Staging-Profis für ausgezeichnete Leistungen in verschiedenen Kategorien.

Claudia Mayer fotografiert ihre Projekte selbst und zeigt beeindruckende Vorher-Nachher-Vergleiche.

zur Homepage von Claudia Mayer Gestaltung

Die richtigen Akzente setzen

„Home Staging, also die professionelle Aufbereitung von Immobilien – innen und außen – sorgt für eine optimale Präsentation und bewirkt damit den schnellstmöglichen Verkauf zum bestmöglichen Preis“, so das Statement von Claudia Mayer. Das ist wohl einleuchtend – für schöne Dinge ist man eher bereit, Geld auszugeben. Auf der anderen Seite steht der Makler weniger unter Rechtfertigungsdruck für den von ihm aufgerufenen Preis, sobald er etwas Schönes vorzeigen kann.

Einige Akzente und eine gelungene fotografische Umsetzung reichen aus,
um dem Interieur einen angenehmen Wohncharakter zu verleihen.

Außerdem spielt hier ein weiterer psychologischer Effekt eine Rolle. Home Stager verstehen die Kunst, eine Immobilie so zu präsentieren, dass sie eine möglichst breite Masse an Interessenten mit unterschiedlichsten Stilvorlieben beeindruckt. Vor kurzem lernte ich auch Barb Schwarz, die Erfinderin des Home Staging, auf einem Seminar kennen. Sie formulierte dazu: „Decorating is personalizing a home, Staging is de-personalizing it to sell!“ Es geht also nicht ums Dekorieren, sondern um das bewusste Setzen von Akzenten. Diese haben die Aufgabe, bei möglichst vielen Interessenten den Kaufwunsch zu wecken – sowohl beim Ansehen der Fotos als auch bei der Begehung des Objektes.

Mehrfachnutzen schöner Fotomotive

Ein für das Foto schön inszeniertes Objekt muss danach nicht abgebaut werden. Die Inszenierung kann für die gesamte Vermarktungsstrecke extrem hilfreich sein. Claudia Mayer sagt dazu: „Home Staging sichert Maklern einen exklusiven Vorsprung im Immobilienmarkt auf drei Arten. Erstens: Überzeugende Angebote führen zu Vertrauen und zufriedenen Kunden – den Verkäufer und den Käufer. Zweitens: Die attraktive Präsentation ist ein entscheidender Vorteil bei der Akquise zur Neukundengewinnung. Drittens: Home Staging ist ein Multiplikator für die Immobilienvermarktung.“

Insofern hat die Schaffung und Präsentation schöner Fotomotive einen extrem langfristigen Nutzen – auch über den Vertrieb des ursprünglichen Objektes hinaus, denn eine schön präsentierte Immobilie (sowohl im Foto als auch in der Realität) bleibt positiv im Gedächtnis haften.

Interessenten, Käufer und Verkäufer erinnern sich gern, wie diese Immobilie
mit smarten Ideen und schönen Fotos angeboten und verkauft wurde. 

Inszenierung hilft Fotografen und Maklern

Mit den richtigen Mitteln lassen sich somit sowohl für den Fotografen als auch für den Makler (manchmal ist das ja ein und dieselbe Person) die Voraussetzungen für ein tolles Produkt schaffen. Das Gute für die fotografische Darstellung: Home Stager produzieren fast immer Eindrücke, die automatisch gute Bilder ergeben. „Home Staging ist ein ‚Must-have‘ für das Immobilienfotoshoot – besonders er- und einleuchtend für die ergänzende 360°-Tour. Home Staging unterstützt mit den richtigen Handgriffen das optimale Fotoergebnis“, bestätigt Home-Staging-Profi Claudia Mayer im Gespräch.

Wenige Accessoires sorgfältig platziert, machen aus einem leeren Raum ein attraktives
Verkaufsobjekt. Gleichzeitig ergibt sich ein schönes Fotomotiv für Interessenten,
die die Immobilie nicht selbst besichtigen. 

Gute Immobilienfotografie zeigt Transparenz statt Manipulation

Als Fotograf macht mir ein gestagtes Objekt das Leben auch in anderer Hinsicht leichter. Die persönlichen Bindungen und Ansichten der Voreigentümer zu ihrer Immobilie sind nicht mehr präsent. Damit nehme ich eine ganz ähnliche Sichtweise ein, die auch der Kaufinteressent haben wird, der weder das Objekt noch den Besitzer kennt. Durch diese Distanz entsteht eine Transparenz, die den Blick auf das Wesentliche freigibt.

Das Ergebnis sind unverfälschte reale Bilder, die gleichzeitig ansprechend sind. Insofern muss jeder Makler ermutigt werden, gute Fotos von seinen Objekten zu zeigen, denn nur sie erfüllen Motto und Anspruch der Immobilienfotografie: „Immobilienfotos sind Werbeaufnahmen“. Sie machen Werbung für das Objekt und insbesondere für die Expertise des einzelnen Immobilienprofis.

Übrigens: Nach den Foto-Workshops sind auch die eingangs zitierten unsicheren Teilnehmer durchweg überzeugt, dass es sich lohnt, solide Fotos zu produzieren. Denn der Aufwand ist gering, und der Effekt ist groß. Man muss eben nur lernen, wie es geht …

Links in diesem Beitrag

 
   |