Vision 2020: Immobilienmarketing – die visuelle Seite

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 5. Februar 2015 - in: Marketing

Vision 2020 ImmobilienmarketingAngeregt durch eine Blogparade zum Thema Immobilienmarketing 2020 entstehen natürlich viele Gedanken, wohin die Reise gehen mag. Ich habe mir einige Szenarien ausgedacht, die in fünf Jahren vielleicht Realität sein könnten. Natürlich konzentriere ich mich im Konzert der Marketingwerkzeuge auf die visuelle Präsentation, denn das ist meine Domäne. Manche Stories mögen unwahrscheinlich sein, andere in Ansätzen schon existieren und einige bleiben pure Phantasie.

Vorab ist für mich Eines klar: Die Immobilienbranche mit all ihren Facetten, ihre faszinierenden Seiten aber auch ihre Macken werden sich bis dahin wenig ändern. Wer jetzt ein Science-Fiction-Feuerwerk erwartet, wird deshalb enttäuscht sein. Ebenso wie all jene Optimisten, die in fünf Jahren das Maklerparadies herbeisehnen. Die Maklerhölle wünscht sich niemand. Große technische Fortschritte spielen eine erstaunlich eine kleine Rolle. Am Ende geht es immer um die Menschen auf beiden Seiten des Verkaufstresens. Marken und Namen sind frei erfunden. Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten mit der Realwelt sind Zufall. Viel Spaß beim Lesen.

Der Nerd und die Spanierin

Raimund Obermüller, 35 Jahre alt, verheiratet, Vater eines dreijährigen Sohns, wohnt in einer Kleinstadt in der schwäbischen Provinz. Seine spanische Frau Eliza erwartet wieder Nachwuchs – Zwillinge werden die Familie bald verstärken. Der erfolgreiche Programmierer arbeitet bei einem Technologiekonzern und ist auf dem Karrieresprung. Alles läuft also nach Plan. Nur die aktuelle Wohnsituation ist ätzend. Das Zweizimmer-Apartment verfügt zwar über eine schöne Lage, doch Wohnen, Kind und Homeoffice lassen sich nur mit Mühe unter einen Hut bringen. Vom Familienzuwachs ganz zu schweigen. Sie müssen umziehen, auch wenn sie dann die gewachsene Gemeinschaft und die vielen Generationen netter Nachbarn in diesem Haus vermissen werden.

Also holt Raimund sein KinkPad aus der Motorradjacke, rollt es auf dem Esstisch aus und faltet es anschließend von A5 auf A3 auseinander – schließlich soll Eliza das neue Heim gleich mit aussuchen. Er startet eine App, die nur auf seinem Gerät läuft, weil sie noch im Entwicklungsstadium ist. Sie ist eigentlich ein Abprodukt von dem Regierungsprojekt, an dem seine Abteilung gerade arbeitet. Deshalb muss er einige Statusmeldungen ausblenden, bevor die Suchmaske sichtbar wird. Statt alle Felder auszufüllen, drückt er das Mikrofonsymbol und beginnt, sich mit Eliza über Ihr Wunschhaus zu unterhalten. Die App schnappt alle wichtigen Informationen auf und trägt sie automatisch ein. Selbst Elizas süßer spanischer Akzent wird verstanden, und auch wenn sie auf Spanisch flucht, nimmt die App das zur Kenntnis und wägt Alternativen ab.

Raimund: „Ich möchte, dass mein Arbeitsweg kurz ist. Nicht mehr als 30 Minuten.“
Eliza: „Willst Du ein Haus oder eine Wohnung? Kaufen oder mieten? Ich bin dafür, einer größere Wohnung zu mieten.“
Raimund: „Ich weiß nicht, für drei Kinder wäre doch ein Garten ideal. Und ein Haus bietet so viel Platz.“
Eliza: „Aber das wird doch so teuer. Unter 400.000 gibt es nichts Vernünftiges!“
Raimund: „Dann addiere mal die Miete, die für eine große Wohnung zusammenkommt.“

So spitzt sich die Konversation in den folgenden 10 Minuten zu. Eliza ist schon ganz fahrig. Dann geht das Temperament mit ihr durch. Sie drückt einfach erneut das Mikrofonsymbol. Damit ist die Datenerfassung vorbei und die Sanduhr erscheint auf dem Display. Nervös trommeln ihre Fingernägel auf die Tischplatte. „Bleib ruhig, die App ist noch im Beta-Stadium. Deshalb dauert die Auswertung etwas länger“, beschwichtigt Raimund seine Gattin. Sie fegt aus dem Wohnzimmer und ruft ihm schnippisch über die Schulter zu: „Ich koch‘ dann erst mal einen Beruhigungstee.“ Aber schon erklingt das Glöckchen und eine freundliche Stimme säuselt: „Sie haben dreiundzwanzig Treffer.“

Die App hat alle großen Immobilienportale und die Firmenwebseiten der lokalen Makler durchforstet und wirft die passenden Resultate aus. Wegen der verschiedenen Datenstrukturen liegt die tatsächliche Quote nur bei zwanzig Treffern. Raimund wurmt das, diese mehr als 10 Prozent Schwund müssen bis zum offiziellen Start der App noch raus programmiert werden. Dennoch drückt er auf das Haus-Symbol und die Exposès fliegen ein.

Raimund ist entsetzt.

„Das kann doch nicht wahr sein. Haben die denn nichts dazugelernt?“ Auf dem 4K-Display seines KinkPads werden die dargestellten Häuser und Wohnungen im Mäusekino-Format angezeigt, Details sind nicht erkennbar. Die Immobilienportale beschränken die Bildgrößen wie vor 10 Jahren auf winzige 800 Pixel Kantenlänge. Aber auch die Internetseiten der Makler sind nicht viel besser. Raimund flucht: „Da sind Programmierer am Werk, deren Wissensstand noch aus dem letzten Jahrtausend stammt.“ Womit er absolut Recht zu haben scheint. Schon vor fünf Jahren, als er mit Eliza die aktuelle Wohnung ausgesucht hat, waren auf seinem völlig durchschnittlichen 23-Zoll-Monitor vorrangig dilettantische Aufnahmen im Kleinformat zu sehen. Sie hatten sich damals für ein Angebot mit guten Bildern entschieden und lagen richtig. Das war nicht etwa pures Glück, denn dieser Makler verstand sein Handwerk und war beiden eine wirklich gute Hilfe.

Der Familienvater kann die Bilder heute zwar auf seinem Display vergrößern, aber dann ist nur noch unscharfer Pixelmatsch zu sehen. ‚Nur gut, dass ich mein KinkPad nicht auf A1-Format ausgeklappt habe‘, denkt er mürrisch und löscht umgehend alle Schrott-Exposés mit Minibildern vom Bildschirm.

Aber dann beginnen seine Augen zu leuchten.

Fünf der Makler haben einigermaßen verstanden, worum es geht. Sie werben für Ihre Objekte mit großen Fotos. Drei von ihnen sortiert Raimund jedoch aus. Die haben ihre Bilder offensichtlich aus der Hüfte geschossen. Rein interessehalber nimmt er die unsichtbaren Meta-Daten der Bilder unter die Lupe. Ein Foto-Set wurde mit einem Smartphone aus dem Jahr 2011 geschossen, eines mit einem leichtgewichtigen Pixelboliden aus Japan und eines mit einem KinkPad, wie er es benutzt. Diese Bilder sind nicht ganz scharf, weil sie verwackelt sind. Außerdem haben sie entweder weiße Stellen, dort wo das Licht durch Fenster in den Raum fällt oder sind in den dunklen Bereichen völlig ohne Details. Hinzu kommt, dass alle geraden Kanten irgendwie schief und gebogen aussehen.

Eliza kommt mit dem Tee zurück, blickt auf das Exposé, rollt mit ihren großen Augen und zischt: „Wenn der Makler so arbeitet, wie er fotografiert, dann sage ich gleich adiós!“ Ihr Mann schmunzelt, denn er hat noch zwei Asse auf der Hand. Eine wunderschöne Vorstadtvilla im Kolonialstil mit Säulenportal, acht Zimmern, zwei Bädern, einer großen Terrasse, hinter der man wunderbar einen Pool bauen könnte. Im Garten stehen hohe alte Bäume auf dem Rasen, umrahmt von einzelnen Blumenrabatten. Die großen detailreichen Aufnahmen zeigen wunderbar die Schönheit, die dieses Haus einmal ausgezeichnet haben muss. Denn es wird auch sichtbar, dass einige Renovierungen stattfinden müssen, bevor die kleine Großfamilie einziehen kann. Aber dafür entspricht der Preis genau den Vorstellungen der Obermüllers. Eliza ist auf der Stelle in diese Villa verliebt. Es wurmt sie aber, dass ihr die anderen Angebote so wenig visuelle Informationen gegeben haben. Gern hätte sie mehr Auswahl gehabt.

Dann öffnet Raimund das letzte Exposé. Ein Architektenhaus, schnörkelloser Kubismus, im Untergeschoss keine Innentüren, außer zum Gästebad. Eine großzügige Kaminanlage steht mitten im Raum und bricht mit ihrem archaischen Feuerspiel gekonnt die Geradlinigkeit des Raumes. Oben sehr funktional und modern: fünf Zimmer, ein großes Bad und ein schöner Sonnenbalkon. Die Fotos sind so dimensioniert, dass er bedenkenlos die Bilder vergrößern kann, um Details zu erkennen. Er macht sich den Spaß und versucht, die Markennamen der Einbaugeräte in Küche, Wohnzimmer, Bad und Schlafzimmer zu entziffern. ‚Trefferquote 18 von 20‘, freut sich der Technik-Freak. Genau, was Raimund liebt. Das Haus hätte man in der Mitte des letzten Jahrzehnts als Smart Home bezeichnet, denn alle erdenklichen Funktionen sind über das neue ROT-Bus-System sicher von Ferne zu steuern. Der Programmierer ist begeistert, doch mit einem mulmigen Gefühl denkt er daran, dass es mit seiner besseren Hälfte noch Redebedarf gibt.

Der Streit ist heftig aber kurz. Am Ende kann Raimund Elizas Temperament nicht widerstehen. Doch sie ist bereit zu einem Kompromiss: Sie kaufen Elizas Traum-Villa und Raimund darf bei der anstehenden Renovierung gleich ein paar Smart-Home-Spielereien planen. Pünktlich zur Geburt sind die wichtigsten Renovierungsarbeiten erledigt und die Zwillinge können direkt ins neue Haus einziehen.

Fazit

Immobilien kosten nach wie vor viel Geld. Auch wenn sich die technischen Möglichkeiten der Präsentation stark weiterentwickelt haben, so läuft die wirksame Nutzung nur schleppend an. Sowohl die Makler als auch wichtige Vertriebskanäle halten zäh an Werkzeugen aus längst vergangener Zeit fest. Dumm ist nur, dass sie damit ihre Klientel vor den Kopf stoßen. Die ist nämlich auf der Höhe der Zeit und erlebt Unterhaltung und Information schneller, größer und schicker als je zuvor. Vorbei ist die Zeit, in der Immobilienkunden bereitwillig visuelle Durchschnittsware konsumiert haben. Dieser Wandel hat übrigens bereits im Jahr 2015 eingesetzt.

Die Dame und der Senior-Chef

Regine Schlüter ist allein. Die rüstige Mittsiebzigerin hat vor zwei Monaten ihren Mann zu Grabe getragen. In der großzügigen Vorderhauswohnung in Berlin-Charlottenburg fällt ihr vor Langeweile die Stuckdecke auf den Kopf. Außerdem sind ihr fünf Zimmer jetzt zu viel: zu viele Erinnerungen, zu viel Putzerei, zu viel ungenutzter Raum. Sie geht zum selbsternannten Leitmedium der Hauptstadt – einer großen überregionalen Tageszeitung – und gibt zwei Inserate auf. Mit dem einen stellt sie ihre Wohnung zum Verkauf und mit dem anderen sucht sie ein komfortables 2-Zimmer-Appartment, möglichst nicht so weit entfernt von ihren Kindern.

Am Erscheinungstag klingelt um 7:39 Uhr ihr finnisches Handy, über das die ganze Familie lacht, weil es Tasten hat. Regine macht gerade mit Hundedame Bella ihre Morgenrunde. Mit klammen Fingern zieht sie das Telefon aus der Manteltasche, schaut auf’s Display und brabbelt: ‚Unbekannter Anrufer – Hm. Wie unhöflich.‘ Ihren beringten Zeigefinger presst sie mit Nachdruck auf die Taste mit dem grünen Hörer. Aus dem Lautsprecher sprudelt eine junge sympathische Stimme. Sie versteht, dass ein Maklerbüro am anderen Ende ist und es um ihr Inserat geht. Man bekundet Interesse an der Vorderhauswohnung. Allerdings begreift Regine nicht sofort alles, was gesagt wird. „Das ging jetzt alles zu schnell“, deshalb schlägt sie vor, dass der Anrufer am gleichen Nachmittag bei ihr vorbeischaut. Kaum hat sie aufgelegt, bimmelt es schon wieder. Diesmal ist es eine Damenstimme mit exotischem Akzent. Wieder das gleiche Procedere. Sie vereinbaren einen Termin für den späteren Nachmittag.

Eigentlich sind es nur noch zehn Minuten bis nach Hause, doch Regine braucht eine halbe Stunde und nimmt in dieser Zeit sieben weitere Anrufe entgegen – immer nach dem gleichen Muster. Als sie vor der Haustür steht, hat Regine in der ganzen kommenden Woche Termine. ‚So viel Trubel hatte ich gar nicht erwartet‘, schmunzelt sie in sich hinein. Bevor sie den Hausflur betritt, schaltet sie das Handy aus. Irgendwie ist ihr nicht ganz wohl bei der Sache. ‚Fremde Leute in der Wohnung‘, überlegt sie, ‚man hört so viel Schlechtes. Ich muss Daniel um Hilfe bitten.‘ Daniel ist ihr Großneffe, der in Berlin irgendwas mit Wirtschaft studiert. Regine denkt: ‚Das ist ein heller Kopf, der sich mit Zahlen auskennt. Außerdem hat er vorher bei der Bank gearbeitet, kennt sich auch mit Menschen und Geld aus.‘ Sie schaltet also ihr Handy wieder an.

Bevor sie Daniels Nummer im Adressbuch finden kann, klingelt es erneut. Das nächste Maklerbüro bekommt drei Minuten später auch einen Termin. Dann spricht sie Daniel auf die Voicemail – ‚Früher hat man mal Anrufbeantworter gesagt‘, wundert sich Regine – und bittet um einen Rückruf. Daniel meldet sich nur fünf Minuten später: „Tante Regine, Du hast alles richtig gemacht. Ich komme heute, am Montag, Dienstag und Donnerstag zu Dir. Die Termine für Mittwoch und Freitag sage bitte ab, da bin ich in der Uni.“

Am Nachmittag bei Kaffee und Kuchen warten Regine und Daniel auf den ersten Makler. Daniel steht am Fenster und sieht auf die Straße. Von weitem erkennt er schon, wer der Makler sein muss. Bursche, Mitte 20, Gel im streng nach hinten gekämmten Haar, Ledermappe unterm Arm, an den weit ausschreitenden Füße glänzen Lacklederschuhe, fliegender Mantel, heller Anzug, weißes Hemd, Goldketten am braungebrannten Hals und am Handgelenk. Es klingelt, die Tante öffnet und die freundliche Stimme sprudelt wieder los. Der Makler lässt Regine nicht zu Wort kommen, verspricht ihr noch in der Tür beste Preise und den totalen Service.

Gerade will der Makler sein ImmoPad zücken, um die Wohnung zu vermessen und zu fotografieren, da erscheint Daniel in der Wohnzimmertür, stellt sich vor und fühlt dem Makler auf den Zahn. Gut, dass Daniel während seiner Zeit im Bankhaus lange im Immobilienkontor gearbeitet hat. Sofort wird die Diskussion sachlicher. Irgendwann sind die Argumente ausgetauscht. „Okay, Fotos gibt es heute nicht. Wir möchten Sie kennenlernen, Sie sollen uns kennenlernen. Im Prinzip haben wir vorerst alle Informationen beisammen. Wir melden uns“, komplimentiert Daniel den Makler wieder in den Hausflur. Als die Wohnungstür ins Schloss fällt, sieht Daniel den dankbaren Blick seiner Tante.

Die folgenden Termine fallen ähnlich aus. Immer wieder fühlt sich die ältere Dame, als würde sie von jungen Dynamikern und Modepüppchen überrumpelt werden. Erst nachdem Daniel auftritt, stellt sich heraus, wie viel sie tatsächlich vom Immobiliengeschäft verstehen. Der Großneffe hat auf seinem SmearBoard eine App installiert, mit der er für jeden Kandidaten pro und contra vermerkt, um ein vernünftiges Rating aufzustellen. ‚Einige sind durchaus Immobilienfachleute, aber lausig im Eigenmarketing‘, denkt der BWL-Student belustigt mit Blick auf sein aktuelles Seminarprojekt zu diesem Thema.

Aber jeder der Besucher zieht dieses ImmoPad aus der Tasche. Daniel recherchiert: Das ist eigentlich nichts anderes als ein Tablet-Computer mit der Leistungsfähigkeit von 2014, einer eingebauten Kamera und einer Maklersoftware darauf. Ein großes Immobilienportal hatte da wohl einen riesigen Posten Altmaterial aufgekauft, etwas aufgemotzt und dann mit enormem Marketingaufwand für gutes Geld der Maklerschaft als „Must-Have“ schmackhaft gemacht. Okay, die Software ist nicht schlecht, doch ist sie nur an dieses eine Immoportal angebunden. Die Fotos aus diesen Pads sind entgegen aller Beteuerungen des Vertreibers nicht zu unterscheiden von denen aus herkömmlichen Smart-Geräten aus dem vergangenen Jahrzehnt: bei schlechtem Licht verrauscht, schnell verwackelt wegen des unmöglichen Geräteformats, Innenfotos sind entweder über- oder unterbelichtet, Außenaufnahmen sind passabel – eine Schönwetterkamera für Urlaubsschnappschüsse eben. Aber definitiv kein Arbeitswerkzeug.

Der letzte Makler ist jedoch anders. Er nimmt sich Zeit, hört genau zu und zeigt auf seinem ImmoPad, welche Art Objekte er erfolgreich betreut. Regine fallen sofort die schönen Bilder auf. „Und die machen Sie mit diesem Computer-Tablett?“, fragt sie ungläubig. Der Makler schmunzelt und verneint. Er habe für eine kurze Zeit seine Immobilien mit verschiedenen Kameras fotografiert, sei aber nie so richtig zufrieden mit der Qualität seiner Bilder gewesen.

Dann habe er von einem Foto-Workshop gehört, der sich ausschließlich um aufmerksamkeitsstarke Fotos von Verkaufsimmobilien drehte. „Die Investition in den Kurs und in eine vernünftige Kamera haben sich längst gelohnt“, erklärt der Makler mit norddeutschem Akzent. Seither vertrauten ihm die Kunden viel eher ihre Häuser an. Er verkaufe Objekte mit diesem Werkzeug schneller und zu einem besseren Preis. Außerdem traue er sich jetzt, mit seinen viel besseren Fotos Marketing zu betreiben – mit Erfolg. Als reines Anzeigegerät sei das ImmoPad aber gar nicht so schlecht.

Am Ende der Woche sind sich Regine und Daniel einig, wem sie den Zuschlag geben sollen. Der letzte Kandidat könnte das Rennen machen, die anderen erwiesen sich entweder als Luftnummern oder haben nicht so vertrauenswürdig gewirkt wie dieser Fotomakler. Dann fällt Daniel ein: „Auf meinem Weg vom Bus zu Dir komme ich doch auch bei einem Maklerbüro vorbei. Die haben ein schön dekoriertes Schaufenster und wenn die Tür offensteht, duftet es nach Kaffee. Lass uns dort mal vorbeischauen“. Dass die süße Assistentin Daniel jedesmal durchs Schaufenster zulächelt, erwähnt er nicht.

Gesagt, getan stehen sie fünf Minuten später vor dem Maklerbüro. Die Auslage zieren einige Exposés. Sofort fällt Regine auf, dass die Fotos von den Objekten richtig strahlen. Sie sind groß, scharf, haben Kontrast und wirken irgendwie aufgeräumt. Tante und Großneffe betreten das Ladengeschäft und nehmen den leichten Kaffeeduft wahr. An einer Art Empfangstresen werden sie freundlich begrüßt und gebeten, einen Moment Platz zu nehmen, weil der Senior-Chef gerade im Kundengespräch sei. Dahinter ist eine große Bildschirmfolie auf die Wand geklebt, auf der sich Fotos von Immobilien abwechseln. Daniel erkennt auf dieser ScreenFoil einige Bilder aus den Schaufensterexposés wieder. Einen Kaffee lehnen die beiden ab, zu den frisch gebackenen Vanillekeksen der Assistentin kann Daniel aber nicht nein sagen. Regine und ihr Großneffe blättern in Exposémappen und sehen, wie dieser Makler die ihm anvertrauten Objekte präsentiert. Als sich ihre Blicke kreuzen, nicken sie sich sachte zu.

Dann kommt der Senior-Chef und nimmt das Paar mit in sein Büro. Dann geht es ziemlich schnell. Am folgenden Dienstag besichtigt der Makler die Wohnung und ist beeindruckt. „Alles in bestem Zustand“, lobt er, „wir müssen aber Fotos machen. Morgen rufe ich sie an und sage Ihnen, wann der Fotograf kommt. Bis dahin wäre es schön, wenn Sie die Wohnung ein wenig herrichten. Ich gebe Ihnen eine Liste mit den wichtigsten Dingen, die zu beachten sind. Mein Rat, kurz und knapp: Lassen Sie einfach nichts rumstehen.“ Er zwinkert Regine zu und verschwindet. Am Donnerstag kommt der Fotograf, der sich freut, wie schön Regine die Wohnung in Szene gesetzt hat. „Sie können bei mir als Assistentin anfangen“, scherzt der Bildermacher und fotografiert die Highlights der Wohnung.

Für Freitag hat sich der Makler schon wieder angemeldet und berichtet: „Ich habe ein neues Apartment für Sie. Sofort bezugsbereit. Zwei Zimmer, Wohnküche, Balkon, Fahrstuhl, so eine Art Mehrgenerationenhaus, aber wenn Sie die Tür zumachen, sind Sie ganz für sich.“ Der Makler zückt ein ImmoPad. Regine runzelt die Stirn. Er sieht Regines Fragezeichen, legt das Pad beiseite und erklärt: „Kleine Jugendsünde. Ich dachte, wenn jeder so ein Ding hat, dann muss ich auch. Als Informationssammlung ganz gut, aber sonst komme ich mit den althergebrachten Werkzeugen besser zurecht.“ Regine nickt. All‘ dieser Schnickschnack ist auch nix für sie. Der Makler gibt ihr das Exposé, und Regine blättert Seite für Seite um. Das gefällt ihr. Und die neue Wohnung ganz besonders.

Nach zwei Wochen zieht Regine um. Sie lebt jetzt in einem schönen Apartment in der schwäbischen Provinz, wo sich zuvor eine junge Familie sehr wohl gefühlt hat. Die Kinder der Dame wohnen nur 20 Autominuten entfernt. Nach drei weiteren Wochen hat auch die Vorderhauswohnung in Berlin-Charlottenburg einen neuen Besitzer.

Fazit

Branchenvertreter, die das gängige Makler-Klischee präsentieren, sterben wohl nie aus. Dabei helfen ihnen auch nicht die angeblich neuesten technischen Spielereien. Die Marktkonzentration bei den Online-Vertriebskanälen führt über kurz oder lang dazu, dass viele Makler nur wenigen vertrauen. Die Marktführer-Portale und bestimmen, mit welchen Werkzeugen gearbeitet wird. Insbesondere für junge und unerfahrene aber auch gleichgültige Makler oder solche mit besonderem Vertriebsdruck mag diese Methode nützlich sein. Kunden lassen sich jedoch immer weniger von dieser Automatisierung beeindrucken. Wer im Marketing hingegen Persönlichkeit zeigt und auf Bewährtes und Qualität setzt, ist weiterhin erfolgreich. Ob man dabei der Kundschaft digital oder analog begegnet, hängt ganz klar von den Vorlieben der Klientel ab. Auch das ist Service.

Der Spinner und die Langweiler

Mirko Raphael ist Immobilienmakler. Er ist jetzt 37 und hat die Welt gesehen. Nach der Realschule heuerte er als Küchenhelfer auf einem Kreuzfahrtschiff an. Irgendwann blieb er in Übersee und wurde mit 19 Jahren Grundstücksverwalter auf dem Villengelände eines reichen Tabakhändlers. Hier genoss er das Leben unter dem Stern des Südens, lernte im Laufe der Zeit Prominente aus allen Branchen kennen, kam mit Drogen in Kontakt, heiratete in einem schwachen Moment die Tochter eines Ölbarons. Dem war das nicht recht, so dass er die Ehe annullieren ließ und die Mafia auf ihn hetzte. Mirko floh. Mittellos strandete er wieder in seiner mecklenburgischen Heimat. Viele Jahre lang hielt er sich mit Aushilfsjobs über Wasser. Doch reifte bereits nach seiner Rückkehr eine fixe Idee zu einem großen Ziel: Er wollte Immobilienmakler werden. Lokale Makler ließen ihn aber nicht über die Schulter schauen, denn seine Vita war nicht gerade vertrauenerweckend.

Also arbeitete Mirko hart und viel, lebte sparsam, so dass eine für ihn nicht unerhebliche Menge Geld zusammenkam. Er besorgte sich Literatur und begann über das Immobiliengeschäft zu lesen und zu lernen. Er machte sich bekannt mit den regionalen Wirtschaftsführern und diskutierte mit ihnen über Betriebswirtschaft. Keiner wusste genau wer er war, aber irgendwie gehörte er dazu. Vor fünf Jahren fühlte er sich reif und meldete sich bei einer Immobilienakademie an. Mit Bravour bestand er den Eingangstest, wurde als Jahrgangsbester nach Ende der Ausbildung zum Immobilienkaufmann geschlagen und erhielt die staatliche Maklerlizenz, die seit einem Jahr Voraussetzung für jegliche Tätigkeit als Immobilienmakler ist. Noch immer war Geld übrig, um ohne einen Cent Kredit sein eigenes Unternehmen zu gründen.

In der ersten Woche saß er am Telefon und wartete darauf, dass ihm Aufträge ins Haus kommen. Vergebens. In den nächsten drei Wochen blieb das Telefon auch stumm, doch hatte er eine Beschäftigung gefunden. Er erinnerte sich an sein Selbststudium in Mecklenburg und verfasste einen Businessplan. „Besser spät als nie“, verkündet Mirko, wenn er heute darauf angesprochen wird, warum er nicht früher auf die Idee gekommen sei. Mit großen Buchstaben standen über dem Plan die drei wichtigsten Maxime seiner Arbeit: EFFIZIENZ – QUALITÄT – EINZIGARTIGKEIT. Alle Maßnahmen dieses Planes sollten darauf ausgerichtet werden. Und tatsächlich kamen die ersten Aufträge ins Haus.

Das Internet, die drahtlose Kommunikation, die ortsunabhängige Verfügbarkeit aller Informationen – das bildet für Mirko seither das Rückgrat seines Erfolgs. Er schuf sich Werkzeuge, mit denen er überall und ohne großen Aufwand als Makler arbeiten konnte. Außerdem nahm er jeden Kunden ernst, egal ob er eine Einraumwohnung vermieten oder er eine 25-Zimmer-Villa am Mittelmeer verkaufen sollte. Allerdings hatte er als gebranntes Kind einen guten Instinkt für unlukrative Geschäfte entwickelt. Diese lehnte er von Anfang an ab. So vermied er jeden Kratzer an seinem neuen Image. Die Maxime Effizienz und Qualität hielt er damit für erreicht.

Nur die Einzigartigkeit bereitete ihm lange Zeit Kopfzerbrechen. Was sollte er anders machen als andere? Dazu musste er erst einmal herausfinden, wie andere arbeiten. Viele Stunden verbrachte er im Internet, recherchierte und dokumentierte die Arbeit der Makler in seinem Einzugsgebiet und zog dann immer größere Kreise, bis sich sein Überblick über mehrere Bundesstaaten erstreckte. Er nutzte dazu eine App, die ihm mal ein Student in Berlin vorgestellt hatte.

Doch was fand er heraus? Langeweile.

90 Prozent der Makler machten das Gleiche. 10 Prozent waren aber irgendwie anders. Besser. Und offensichtlich erfolgreicher. Denn Sie verkauften viele lukrative Objekte.

Dann fällt es ihm auf. Diese Makler stellen sich anders dar. Sie setzen in ihrer Außendarstellung auf Qualität. Doch als er weiter forscht, bemerkt er, dass sich Qualitätsdenken und Qualitätsmanagement wie ein roter Faden durch das GESAMTE Geschäft ziehen: Qualitätsobjekte – Qualitätsmitarbeiter – Qualitätswerkzeuge – Qualitätsexposés mit Qualitätsaufnahmen.

Aber wie kann er sich von dem schon sorgfältig aufgeteilten 10-Prozent-Kuchen ein Stück abschneiden? Ein Freund rät ihm: „Setz‘ Dir doch einen Papagei auf die Schulter.“ Damit hätte er zumindest den Tatbestand der Einzigartigkeit erfüllt. Das ist für Mirko aber zu skurril. Er grübelt, wie er sich von den 10 Prozent unterscheiden kann. Die anderen 90 Prozent interessieren ihn vorerst nicht. Also reift in ihm ein Plan. Zuerst will er den gleichen Stand wie diese Qualitätsmakler erreichen. Das heißt, dass er maßvoll investieren muss.

Noch hat er keine Qualitätsobjekte. Aber er macht aus seinen einfachen Wohnungen und Siedlungshäusern welche. Er setzt sie in Szene, als würde er sie in Hollywood anbieten. Und siehe da, sie werden ihm förmlich aus den Händen gerissen. Mirko macht das Zugeständnis, dass er in Homestaging, Bilder und Videos investiert, und somit auf einen Teil seines Ertrags verzichtet. Doch sieht er das als Investition in die Zukunft. Und wird bestätigt. Es gibt für ihn kein schöneres Kompliment als den Neid seiner tatenlosen Kollegen, die hinter vorgehaltener Hand über ihn herziehen. Sie nennen ihn einen Spinner. Das stört ihn nicht. Einige haben jedoch begriffen und ziehen mit. Gemeinsam bilden sie im Internet eine eigene Community, in der sie Erfahrungen und Dienstleister austauschen und gemeinsam an Projekten arbeiten. Nach gar nicht allzu langer Zeit ändert sich Mirkos Portfolio. Die Objekte werden größer, exklusiver und damit lukrativer.

Mirko ist sein einziger Qualitätsmitarbeiter – deshalb nutzt er jede freie Minute, um sich weiterzubilden. Das Internet macht das recht einfach. Auch in der offenen Kommunikation mit anderen Maklern sieht er eine Chance. Er liest zwischen den Zeilen und lernt jeden Tag Neues, erfährt von Chancen und Risiken und setzt sein Wissen sofort um. Er schreibt alles in ein Logbuch, zunächst, damit all die Dinge nicht in Vergessenheit geraten. Doch im Jahr 2025 wird er mit diesen Informationen ein Buch über Immobilienmarketing verfassen. Wieder nennen ihn die Neider einen Spinner. Doch der Bestseller verhilft Mirko zu neuen lukrativen Aufträgen. Diese betreut er gemeinsam mit den exzellenten Kollegen aus seiner Internetcommunity. Das Netzwerk funktioniert zuverlässig.

Gleich zu Beginn der Karriere ist Mirko auf der Suche nach Qualitätswerkzeugen. Nach einer kleinen Odyssee findet er die passende Software. Die läuft auch auf jedem aktuellen Computer. Vom führenden Online-Immobilien-Portal wird ihm das ImmoPad angeboten. Er schließt den obligatorischen Zweijahresvertrag ab, stellt aber bald fest, dass er Lehrgeld bezahlt. Als Anzeigegerät ist es sehr gut zu gebrauchen, aber alle anderen Funktionen sind nichts für seinen Anspruch. Sowohl die Software, die ihn an das Portal bindet, als auch die Kamera, mit der nur unterdurchschnittliche Aufnahmen entstehen.

Er erinnert sich an eine ältere Klientin aus Berlin, die ihn direkt auf die Bildqualität ansprach. Er erzählte Ihr, wie unzufrieden er gewesen sei und dass er dann selbst einen Fotokurs belegt und eine gute Kamera gekauft hätte. Von da an ging es mit seinem Geschäft leichter bergauf. Heute bucht Mirko für seine exklusiven Exposés einen Fotografen. Aber genau wie in seinen Anfangstagen macht er das nicht nur für die teuren Objekte, sondern auch für einfache Wohnungen – dieser Spinner. Den Auftrag von der Dame hatte er damals nicht bekommen. Das war für ihn wohl noch eine Nummer zu groß.

Mit seinem Qualitätsdenken und -handeln hat Mirko es geschafft. „Ich habe vielleicht nicht gerade einen Teil des 10-Prozent-Kuchens abbekommen, aber dafür gemeinsam mit den fleißigen Kollegen aus der Community das erfolgreiche Lager um ein Quäntchen erweitert“, gibt er augenzwinkernd am Unternehmerstammtisch zum Besten.

„Doch was ist nun mit der Einzigartigkeit?“, wird Mirko gefragt. Er überlegt kurz und wird nachdenklich. Denn er weiß, weshalb er zu den Einzigartigen gehört…

Fazit

Wer nach dieser Geschichte meint, jeder Beinahe-Versager könne Immobilienmakler werden, liegt falsch. Richtig ist aber, dass für diesen Beruf viel Fachwissen und Erfahrung, aber auch Fleiß und Glück notwendig sind. Hinzu kommen Empathie für die Klienten und ein gut organisierter Arbeitsablauf. Das wird auch nach 2020 nicht anders sein. In den Marketinglehrbüchern wird unter der Abkürzung USP Einzigartigkeit als wichtiges Marketingwerkzeug propagiert. Diese Einzigartigkeit besteht auch in der Zukunft wohl in der Qualität der Maklerarbeit. Denn so lange so viele nicht auf Qualität setzen, ist Qualität ein Alleinstellungsmerkmal. Das gibt einem zu Denken.

Vision Immobilienmarketing: Zu guter Letzt

Das waren also meine drei Geschichten. Pure Fiktion, aber vielleicht enthalten sie doch ein Fünkchen Wahrheit. Die technische Entwicklung wird sich mit Sicherheit auf das Geschäft mit Immobilien auswirken. Die Entscheidungen der Politik sind weiterhin so wenig vorhersehbar wie das Wetter. Was aber bleibt, sind die Menschen. Ihre Emotionen, ihr Streben nach Höherem und Schönerem und ihr Wunsch nach Gemeinschaftlichkeit, ebenso aber ihre Raffgier und Bequemlichkeit werden auch im Jahr 2020 unseren geschäftlichen und privaten Alltag begleiten.

Das Gute daran: So gut wie niemand kann sich davon ausschließen.

Für mein spezielles Feld der Immobilienfotografie wird es weiterhin so sein, dass Makler mit guten Fotos erfolgreicher sind. Nicht nur, weil sie Objekte schön präsentieren, sondern viel mehr, weil sie sich rundum als Immobilienprofis präsentieren. Und da ist es egal, ob sie einen Profi für die Fotos beauftragen oder selbst lernen, wie man starke Immobilienfotos macht.


Hier sind einige Beiträge anderer Teilnehmer an der Blog-Parade:
Immobilienmakler Heidelberg: Wir müssen uns um die Menschen bemühen
Lebenstraum Immobilien: Immobilienmarketing im Jahr 2020
Eckenthal Immobilien: Immobilienvermarktung im Jahr 2020 – eine Vision

 
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