Welche Brennweite brauche ich für Immobilienfotos?

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 6. November 2017 - in: Ausrüstung | Fragen und Antworten

Welche Brennweite brauche ich für Immobilienfotos?Wenn man einen Innenraum formatfüllend fotografieren möchte, dann muss man häufig einen großen Bildwinkel wählen. Diesen liefert ein Weitwinkelobjektiv, erkennbar an einem kleinen Brennweite-Wert. Allerdings hat so ein starker Weitwinkel auch negative Effekte – Fotos gaukeln eine größere Räumlichkeit vor, Bilder wirken verzerrt und die Bildqualität an den Bildrändern ist schlecht.

  • Wie weit darf man also gehen?
  • Welche Brennweite passt zu welcher Kamera?
  • Welche Objektive sind empfehlenswert?

In meinen Workshops zum Thema Immobilienfotografie tauchen diese Fragen immer dann auf, wenn es um die passende Ausrüstung geht. Daher habe ich einige Grundgedanken aufgeschrieben. Zudem gebe ich am Ende des Beitrags Empfehlungen für Objektive mit passender Brennweite und guter Qualität.

Weshalb Weitwinkel?

Wenn wir einen normal dimensionierten Raum betreten, beispielsweise ein rechteckiges Zimmer von 4 m x 3,5 m, können wir mit unseren Augen den Raum sofort in seiner Gesamtheit erfassen. Das liegt daran, dass wir zwei Sehorgane haben, die nebeneinander liegen, sie sind leicht schräg zu den Seiten im Schädel angeordnet und die lichtempfindlichen Elemente (Pupillen) sind außerdem beweglich. Wir kommen somit auf ein Gesichtsfeld von über 200°. In Sekundenbruchteilen kann unser Gehirn Überlappungen der Informationen aus beiden Augen verrechnen, Verzerrungen ausgleichen und somit ein „korrigiertes“ Bild speichern.

Deshalb fällt die Wahl des Fotografen auf Weitwinkelobjektive. Denn sie können einen großen Bildwinkel abbilden. Allerdings fällt der Vergleich zum menschlichen Sichtfeld traurig aus: Mit extremer Weitwinkel-Brennweite kommen wir gerade mal auf einen horizontalen Winkel im Querformat von rund 125°. Außerdem sind damit produzierte Aufnahmen voller Abbildungsfehler, die uns kein realistisches Abbild vom fotografierten Raum liefern: Verzerrungen und Verzeichnungen sowie unscharfe Bildränder ohne gerade Kanten sind an der Tagesordnung.

Horizontale Bildwinkel und Brennweiten im Vergleich

Verschiedene horizontale Bildwinkel (Querformat) in einem Standard-Raum (4 x 3,5 m) im Vergleich. Mensch und Kamera (Vollformat) stehen jeweils in Position für die häufig verwendete Über-Eck-Perspektive.
1) menschliches Sichtfeld (incl. peripherer Wahrnehmung)
2) Normalbrennweite 50 mm – nur ein Bruchteil des Raumes wird abgebildet.
3) Untere Standardzoom- und häufige Smartphone-Brennweite 28 mm – Das Ziel, mindestens drei Wände zu zeigen, wird nicht erreicht.
4) Obere Superzoom-Brennweite 24 mm – informative Aufnahme möglich
5) Untere Superzoom-Brennweite 18 mm – informative Aufnahme möglich
6) Ultrazoom-Brennweite 14 mm – Aufnahme möglich, mit starken Verzerrungen ist zu rechnen.

Aus diesem Grund sind Architektur- und Immobilienfotografen immer auf der Suche nach dem besten Kompromiss. Wollen sie einen normalen Raum ganzheitlich abbilden, benötigen sie ein Weitwinkelobjektiv, dürfen jedoch bei ihrer Auswahl nicht übertreiben, um die Abbildung realistisch erscheinen zu lassen.

Brennweite und Crop-Faktor

Unterschiedliche Brennweiten liefern verschiedene Blickwinkel. Daher unterscheidet man im Wesentlichen zwischen drei Hauptkategorien:

  • Die so genannte Normalbrennweite liegt bei 50 mm. Ein solches Normalobjektiv liefert in etwa den Bildmaßstab, den wir mit einem Auge wahrnehmen.
  • Ein Objektiv mit größerer Brennweite wird als Teleobjektiv bezeichnet. Es zeigt einen kleineren Bildausschnitt, vergrößert das Motiv, Objekte erscheinen näher. Objektive mit sehr großer Brennweite werden auch als Supertele bezeichnet.
  • Eine Optik mit kleinerer Brennweite ist ein Weitwinkelobjektiv. Es zeigt einen größeren Bildausschnitt, verkleinert das Motiv, Objekte erscheinen weiter entfernt. Objektive mit sehr kleiner Brennweite werden auch als Superweitwinkel, solche mit extrem kleiner Brennweite als Ultraweitwinkel bezeichnet.

Diese Angaben bezieht sich zunächst nur auf Kameras mit einem großen, so genannten Vollformat-Sensor. Seine Abmessungen entsprechen in etwa dem Format von Dias oder Negativen aus analogen Fotozeiten (24 x 36 mm). Viele moderne Kameras haben jedoch aus Kosten- und Platzgründen Sensoren mit kleineren Maßen verbaut. Dabei gelten andere Werte für die Brennweiten-Kategorien. Will man sich dennoch an den Standardkategorien (Weitwinkel, Normal, Tele) orientieren, kann man die am Objektiv abgelesene Brennweite mit einem Verkleinerungsfaktor verrechnen und somit gut vergleichen. Dieser Wert wird in der Fachsprache auch als Crop-Faktor (crop, englisch für Ausschnitt) bezeichnet.

  • Der Faktor für die DX-Sensoren der Kameras aus dem Einsteiger-Segment von Nikon und Sony beträgt 1,5.
  • Für die APS-C-Sensoren der einfacheren Canon-Spiegelreflexkameras beträgt er 1,6.
  • Bei Sensoren in Micro-Four-Thirds-Kameras berechnet man den Faktor 2.
  • Für Smartphones liegt er je nach Modell im Bereich um 10.

Deshalb erzeugen gleiche Brennweitenangaben an unterschiedlichen Kameratypen verschiedene Bildwinkel. Für ein leichteres Verständnis werden die rechnerisch ermittelten Werte gerundet.

Übersicht über die Brennweitenkategorien unter Berücksichtigung der Sensorgröße

Brennweitenkategorie
Vollformat
DX-Format (Nikon, Sony) / APS-C-Format (Canon)
MFT-Format
Normalbrennweite
50 mm
35 mm
25 mm
Weitwinkel
28 mm
18 mm
14 mm
Weitwinkel
24 mm
16 mm
12 mm
Superweitwinkel
18 mm
12 mm
9 mm
Ultraweitwinkel
14 mm
10 mm
7 mm

Inzwischen gibt es Objektive, die auf die kleineren Sensorgrößen berechnet sind (und trotzdem optisch korrekte Brennweitenzahlen für das Vollformat aufweisen). Verwendet man diese an Kameras mit größerem Sensor, dann wird nur ein kleiner Bildkreis abgebildet. Demzufolge bleibt ein schwarzer Rand (3). Hingegen kann man Objektive für große Sensoren auch an Kameras mit kleineren Sensoren betreiben. Hier wird dann eben nur ein Teil in der Mitte des in die Kamera projizierten Bildes genutzt (2).

Anschlussvarianten Vollformat und DX / APS-C-Format

Anschlussvarianten Vollformat (FX) und DX / APS-C-Format
1. Bildkreis des Objektivs passend zum Kamerasensor (FX+FX oder DX+DX): Der runde Bildkreis des Objektivs wird optimal vom rechteckigen Kamerasensor ausgenutzt.
2. DX-Kamera und FX-Objektiv: Vom Bildkreis des Objektivs wird nur ein Ausschnitt durch den kleineren Sensor ausgenutzt. Das bewirkt eine Ausschnittsvergrößerung.
3. FX-Kamera und DX-Objektiv: Der kleine Bildkreis des DX-Objektivs kann nicht die gesamte Fläche des großen Sensors ausnutzen. Abschattungen an den kurzen Bildkanten sind möglich. Moderne Kameras reduzieren die Aufnahmegröße auf den zur Verfügung stehenden Bildkreis – es entstehen kleinere Fotos.

Zoom oder Festbrennweite?

Viele professionelle Fotografen schwören auf den Einsatz von Festbrennweiten. Zwar kann die Brennweite am Objektiv nicht verstellt werden – sie ist festgelegt – doch erzeugen solche Objektive häufig die beste Bildqualität. Sie haben weniger bewegliche Elemente und nutzen deshalb den zur Verfügung stehenden Raum im Objektiv besser für die Steuerung der Lichtstrahlen. Allerdings bräuchte man für verschiedene Szenarien (beispielsweise unterschiedliche Raumgrößen) mehrere jeweils passende Objektive.

Deshalb gibt es Zoom-Objektive, bei denen man die Brennweite, also den Bildwinkel am Objektiv in einem festgelegten Bereich verstellen kann. Mit diesen Optiken ist der Fotograf wesentlich flexibler, nimmt dafür jedoch eine leichte Qualitätseinbuße am Bild in Kauf. (Zugegeben – diese sind häufig nur für den Fotoprofi sichtbar.) Da Immobilienprofis viele verschiedene Szenarien fotografieren müssen und sie gern ohne schweres Gepäck reisen, ist ein einziges, wirklich gutes Weitwinkel-Zoom-Objektiv die Grundvoraussetzung. Außerdem können für Spezialaufgaben (Details, Panoramen) später gern weitere Objektive hinzukommen.

Welche Brennweite für Immobilienfotos?

Wenn man also einen durchschnittlich großen Raum formatfüllend ablichten möchte, dann sollte die kleinste Brennweite folgenden Wert haben:

  • Vollformat: zwischen 18 und 24 mm
  • DX- / APS-C-Format: zwischen 12 und 18 mm
  • MFT-Format: zwischen 9 und 12 mm
 Nikkor 10-24 mm (für DX-Kameras) und Tamron 15-30 mm (für FX-Kameras)

Ideale Weitwinkelobjektive für Immobilienfotos: links Nikon 10-24 mm, rechts Tamron 15-30 mm.

Mit diesem Brennweitenbereich lassen sich beispielsweise Innenräume nach allen Grundsätzen der Fotografie (Kameraausrichtung, Bildkomposition etc.) sowie im technisch akzeptablen Bereich (Randverkrümmung, Farbsäume, Unschärfe am Bildrand) herstellen. Zuletzt genannte Fehler werden bei Wahl einer jeweils größeren Brennweite immer geringer. Deshalb reicht manchmal schon eine kleine Erhöhung der Brennweite aus.

Tipp 1: Kauft man ein Objektiv mit einem etwas größeren Brennweitenbereich als vorstehend genannt (beispielsweise 10 – 24 mm für DX), dann kann man die Bildfehler bei der maximalen Brennweite leicht beseitigen, indem man erst ab 12 mm fotografiert. Für den absoluten Notfall hat man dann immer noch 2 mm Brennweite als Reserve zur Verfügung.

Tipp 2: Es gibt auch so genannte Superzoom-Objektive, die vom Weitwinkel- bis zum Teleobjektiv einen sehr großen Brennweitenbereich abdecken. Jedoch haben diese für Immobilienfotos zwei Nachteile: 1. Die untere Begrenzung im Weitwinkelbereich reicht meist nicht an den erforderlichen Bildwinkel heran. 2. Aufgrund der vielen Linsenelemente für die vielen Brennweiten leidet häufig die Qualität bei den erforderlichen Extremeinstellungen.

Was ist mit Smartphones?

Smartphones haben in aller Regel eine Brennweite, die im Vergleich zum Vollformat je nach Modell um 28 mm liegt. Deshalb eignen sich aktuelle Modelle kaum für die Immobilienfotografie.

Empfehlungen für gute Fotoobjektive für die Immobilienfotografie

Vielleicht eines vorweg. Wenn Sie eine neue Kamera kaufen, erwerben Sie diese am besten ohne Standard-Optik. Diese so genannten Kit-Objektive sind häufig von minderer Qualität. Dann verwenden Sie die Ersparnis lieber für ein richtig gutes Weitwinkel-Zoom, das zu Ihrem System passt. Eine alte Fotografenweisheit lautet: „Ein gutes Objektiv ist mindestens so teuer wie der Kamerabody.“ Dahinter steckt auch die Überlegung, dass man ein Objektiv häufig über mehrere Kameragenerationen des gleichen Herstellers und der gleichen Kameraklasse hinweg weiterbenutzen kann. An meiner professionellen Spiegelreflexkamera arbeitet beispielsweise auch mein erstes Nikon-Objektiv aus dem Jahr 1991 und produziert immer noch erstklassige Fotos.

Das sind die Empfehlungen, geordnet nach den für Immobilien am häufigsten verwendeten Zoom-Objektiven (ohne Sony). Die Links führen zu Detailinformationen auf Amazon.de.

Vollformat (FX)

DX- / APS-C-Format

Micro-Four-Thirds-Format (MFT)

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Ich veröffentliche und aktualisiere eine Reihe von Ausrüstungsempfehlungen auf dieser Website. Diese finden Sie auf folgenden Seiten:

 

 
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