Erweiterte Kameraeinstellung für effizientes Fotografieren von Immobilien

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 26. Dezember 2021 - in: Ausrüstung | Tutorials

Die klassische Kameraeinstellung für gelungene Immobilienfotos betrifft Brennweite, Schärfe, Belichtung und Weißabgleich. Daneben gibt es jedoch bei vielen modernen Kameras kleine Hilfen, mit denen das Fotografieren und spätere Bearbeiten der Aufnahmen effizienter vonstatten geht.

  • Hierbei geht es beispielsweise um die Anzeige von möglichen Überbelichtungen, noch bevor die Aufnahme gemacht wird.
  • Auch die richtige Farbdarstellung des Bildes auf dem Kameramonitor kann von Bedeutung sein, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
  • Einige Kameras haben auch interne Einstellungsspeicher, mit denen die bevorzugte Kameraeinstellung mit nur einem Tastendruck oder einem Dreh am Einstellknopf wieder hergestellt werden können.
  • Und für schärfere Immobilienfotos lässt sich die Kamera bei der Auslösung noch zusätzlich separat beruhigen.
  • Gleichzeitig unternehmen wir mit diesem Beitrag einen kleinen Ausflug in die bunte Welt des Fotografenslangs.

Update April 2024: Es gibt inzwischen einen kompletten Leitfaden für die zusätzlichen Menüeinstellungen am Beispiel der Nikon Z 30, die sich in ähnlicher Weise auch bei vielen aktuellen Modellen anderer Hersteller finden lassen.

Zusätzliche Kameraeinstellung

1. Kameraeinstellung: Highlight Clipping / Spitzlichter

Zu den ärgsten Fotofeinden gehören ausgefressene Bildbereiche. Diese Flächen bekommen bei der Aufnahme soviel Licht ab, dass sich darin keine verwertbaren Bildinformationen (Strukturen) mehr befinden. Sie sind einfach strahlend weiß. Es gibt daher auch in der Nachbearbeitung nichts mehr zu retten. Im Deutschen redet man hierbei von Spitzlichtern (in einem gut belichteten Foto sollten davon nur die feinsten Lichtspitzen, beispielsweise direkt sichtbare Lichtquellen, betroffen sein).

Spitzlichtanzeige "Blinkies" bei einer Nikon Z 50

Spitzlichtanzeige „Blinkies“ bei einer Nikon Z 50

Bei vielen Digitalkameras kann man sich diesen Bildfehler einblenden lassen. Dazu haben sie eine Einstellung, mit der die betreffenden Bereiche meistens blinkend (man spricht von „Blinkies“) oder schraffiert dargestellt werden (dann redet man von „Zebras“). Aber Achtung, einige Kameramarken nutzen die Zebra-Einstellung statt dessen für die Markierung der scharf abgebildeten Fotobereiche.

Der Immobilienfotograf kann damit direkt in der Kamera einschätzen, welche Bildbereiche – meistens die hellen Motivteile im Außenbereich – überbelichtet sein werden. So lassen sich vor der endgültigen Aufnahme gezielt eine oder mehrere der folgenden Gegenmaßnahmen ergreifen.

  • Man könnte beispielsweise den Belichtungsausgleich (±-Taste oder -Regler) so lange verstellen, bis die Blinkies verschwunden sind. Damit riskiert man aber, dass die ehemals dunklen Bereiche unterbelichtet werden. Im Extremfall spricht man dann von „abgesoffenen Flächen“.
  • Mit einer so genannten automatischen Belichtungsreihe macht die Kamera nacheinander mehrere Aufnahmen mit verschiedenen Belichtungseinstellungen. Die Auswahl des passenden Bildes erfolgt dann am besten im Nachgang am großen Computerbildschirm. In den Handbüchern findet man dazu die Abkürzungen „BKT“ (Bracketing) oder auch „AEB“ (Automatic Exposure Bracketing).
  • Eine dritte Möglichkeit wäre, die deckungsgleichen Aufnahmen aus der zuvor genannten Belichtungsreihe zu benutzen. In der Bildbearbeitung am Computer werden nachträglich die jeweils korrekt belichteten Bildbereiche aus den verschiedenen Fotos übereinander zu einem Bild mit hohem Dynamikumfang (HDR) montiert. Das geschieht in guter Fotosoftware automatisch unter einer Funktion, die den Begriff „HDR“ beinhaltet.

2. Kameraeinstellung: Neutrales Kameraprofil

Kameraeinstellung: Picture Control auf Neutral einstellen

Picture Control auf Neutral einstellen

Wer mit der Digitalkamera fotografiert, erhält häufig Aufnahmen, die direkt nach der Aufnahme im Fotoapparat „optimiert“ werden. Die Schärfe wird angehoben, die Kontraste werden verstärkt und alle Farben werden kräftiger dargestellt. Diese Korrekturen richten sich am Bildgeschmack von Alltagsfotografen sowie den Betrachtern ihrer Bilder aus und entspringen der Hand eines Kameraingenieurs. So entsteht ein Bündel unbekannter Einflussfaktoren, die wir bei wahrhaftiger Darstellung von Immobilien eigentlich nicht gebrauchen können. Bei Immobilienfotos wirken sich solche Verschlimmbesserungen möglicherweise sogar kontraproduktiv, da wir sehr häufig ganz spezielle Aufnahmebedingungen vorfinden.

Daher ist dringend zu raten, in den Einstellungen das Kameraprofil auf „Neutral“ oder „Standard“ einzustellen. Dann erfolgen die Eingriffe sehr moderat. Im ersten Moment mögen die Aufnahmen etwas flach aussehen. Dafür lassen sich diese Einstellungen sehr feinfühlig mit wenigen Klicks in der Nachbearbeitung am Computer justieren – passend zum jeweiligen Motiv.

Tipp: Wer sein Dateiformat in der Kamera auf RAW einstellt, muss sich darüber keine Gedanken machen, weil hier diese „Optimierungen“ nur vorübergehend auf die Bildanzeige in der Kamera (oder der herstellereigenen Bildsoftware für Computer) wirken und nicht in die Original-Bilddaten eingebrannt werden. Die eigentlich Bildoptimierung findet in diesem Fall nachträglich zielgenau am Computer statt.

3. Kameraeinstellung: Kamera zurücksetzen

Aufnahmemodus User Settings 1

Unter dem Aufnahmemodus User Settings 1 ist hier die Grund-Kameraeinstellung für die Immobilienfotografie gespeichert.

Oh wie ärgerlich ist es, wenn man an der Kamera die idealen Einstellungen für die Immobilienfotografie gefunden hat und diese durch Unachtsamkeit oder wegen anderer Aufnahmebedingungen verstellt wurden. Oder aber, Kollegen hatten die Kamera in der Hand und haben ihre „eigenen Einstellungen“ vorgenommen. Der Weg zurück zu Ihren Optimaleinstellungen kann mühsam sein, denn Kameramenüs sind mitunter für den Laien nicht immer verständlich aufgebaut.

Gute Kameras bieten eine interne Speicherfunktion mit der sich per Knopfdruck oder durch Dreh am Einstellrad alle bevorzugten Einstellungen zurücksetzen lassen. Ältere Modelle haben die Möglichkeit, die Einstellungen auf einer Speicherkarte abzulegen und von dort unkompliziert in die Kamera zurückzuspielen.

Als absolute Sicherheitslösung erhalten übrigens alle Teilnehmer an meinem Workshop Grundlagen der Immobilienfotografie ein Cheatsheet (ja, aus Papier) mit 10 Basis-Einstellungen und den dazu gehörenden Menübefehlen für ihre eigene Kamera.

4. Geheimtipp – Scharfstellung bei wenig Licht

Diese Kamerafunktion habe ich selbst zufällig bei einem Architektur-Fotoworkshop in Venedig entdeckt. Im Internet habe ich zu dieser Technik keinen Verweis gefunden – und ich habe diese Erkenntnis auch noch nie aktiv geteilt. Hier nun also die Premiere.

Bei Immobilienfotos gibt es häufig dunkle Motive. Möchte man das Bild an der Kamera scharfstellen, schlägt die Autofokus-Funktion häufig fehl. Denn der Autofokus benötigt ausreichend Helligkeit und Kontrast im Bild.

Möchte man das Bild manuell über den Kamera-Bildschirm scharfstellen, dann funktioniert das nur mittelprächtig bis gar nicht, weil auch die Monitor-Darstellung zu dunkel ausfällt.

Dann passierte Folgendes:

  • Zufällig hatte ich an meiner Kamera Nikon D750  die Effekteinstellung „Nachtsicht“ eingestellt, weil ich das entsprechende Drehrad in die falsche Richtung bewegt hatte.
  • Sofort wandelte sich das Monitorbild zu einer kontrastreichen Darstellung, weil kameraintern einige Parameter für nächtliche Aufnahmen angepasst wurden.
  • Dass es dabei in einen Schwarz-Weiß-Modus wechselte. störte mich nicht, denn für die Scharfstellung eines Bildes benötige ich keine Farben.
  • Dann stellte ich am Objektiv die Autofokus-Funktion ab.
  • Anschließend vergrößerte ich für eine bessere Schärfebeurteilung die Monitordarstellung stark. (am besten 1:1, so dass ein Pixel des Bildschirms einem Pixel der Aufnahme entspricht)
  • Durch Drehen am Schärfering des Objektivs ließ sich dann das Motiv exakt scharf einstellen.
  • Anschließend wechselte ich vom Nachtmodus zurück in meinen bevorzugten Belichtungsmodus und machte die perfekt scharfe Aufnahme.

Es ist zu dunkel im Keller. Die Kamera findet keinen Anhaltspunkt für eine gute Fokussierung.
Nach Umstellen auf „Nachtsicht“ wurde manuell fokussiert, danach zurück auf den gewünschten Belichtungsmodus gestellt
und dann ohne Autofokus fotografiert – Problem gelöst.

Mit etwas Übung ist der gesamte Vorgang an dieser Kamera in 3 Sekunden erledigt. An anderen Nikon-Spiegelreflexkameras und den neuen spiegellosen Nikons funktioniert das Ganze ebenso. Auch bei weiteren Marken hat sich diese Funktion schon bewährt. Ob es an Ihrer Kamera klappt, probieren Sie bitte selbst aus.

5. Spiegelvorauslösung / Spiegelverriegelung / Auslöseverzögerung

Kameraeinstellung: Belichtungsverzögerung

Hier löst die Kamera (Nikon Z 50) erst zwei Sekunden nach dem Druck auf den Auslöser aus.

Ich empfehle ja immer, Immobilienbilder vom Stativ aus zu fotografieren. So hat man bessere Möglichkeiten die Kamera gut auszurichten, kann identische Bildausschnitte reproduzieren (beispielsweise für die automatische Belichtungsreihe) und hat letztlich sehr gute Stabilität bei langen Belichtungszeiten. Die Aufnahmen werden also nicht verwackelt. Aber dennoch gibt es ungünstige Konstellationen, bei denen leichte Verwacklungsunschärfen auftreten können. Schuld daran sind Mikrovibrationen, durch die Bewegung mechanischer Teile in der Kamera beim Auslösen.

Dagegen hilft es, wenn man an einer Spiegelreflex-Kamera die Funktion „Spiegelvorauslösung“ (Nikon) oder „Spiegelverriegelung“ (Canon) einschaltet. Andere Hersteller haben womöglich andere Bezeichnungen. Diese Kameraeinstellung bewirkt Folgendes: Nach dem Druck auf den Auslöser entsteht das Bild nicht sofort. Zuerst wird der Spiegel hochgeklappt. Dann vergeht ein kleiner Zeitraum, in dem die Mikroschwingungen durch den Spiegelschlag abklingen können (2 Sekunden). Danach öffnet sich der Verschluss und lässt das Licht auf den Sensor durch, damit dort das Bild entsteht.

Auch für Kameras aus der Klasse der spiegellosen Systemkameras gibt es eine solche Funktion, obwohl diese deutlich weniger bis gar keine mechanische Elemente für die Aufnahme einsetzen. Hier findet man diese Funktion unter den Begriffen „Auslöseverzögerung“ oder „Belichtungsverzögerung„.

Mir hat diese Einstellung schon häufig den Tag (oder die Nacht) gerettet.

Und welche Kameraeinstellung bevorzugen Sie?

Haben Sie auch eine Kameraeinstellung, die Sie zusätzlich zu Belichtung & Co. vornehmen, damit bessere Bilder entstehen? Dann senden Sie einfach eine Nachricht an info@primephoto.de.

Achso: Und wenn Sie die perfekten Grundeinstellungen für Ihre Kamera in der Praxis korrekt anwenden möchten, dann besuchen Sie doch meinen Workshop Grundlagen der Immobilienfotografie.

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