RAW-Format kann Immobilienfotos retten

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 20. Januar 2022 - in: Tutorials

Immobilienfotos werden sehr häufig unter schlechten Aufnahmebedingungen gemacht: wenig Licht, starke Kontraste und kaum Platz. Die Bildqualität leidet unter diesen Umständen. Eine gute Hilfe kann die Verwendung vom so genannten RAW-Format sein. Das ist ein spezielles Dateiformat, das viele moderne Kameras mitbringen. Allerdings ist es nicht im Automatik-Modus für die Aufnahme verfügbar.

Dabei haben RAW-Dateien entscheidende Vorteile, um den schwierigen Lichtverhältnissen bei Immobilienfotos zu begegnen. Insbesondere die starken Kontraste zwischen vergleichsweise einem dunklem Interieur und dem strahlendem Licht im Außenbereich bekommt der Fotograf mit der RAW-Einstellung besser in den Griff.

Oder: Im vorliegenden Beispiel, lassen sich Details in der Wolkenstruktur oder die Baumdetails vor dem hellen Himmel sowie die Tiefe im Bild mit dem RAW-Format zurückholen. In einer RAW-Datei steckt häufig mehr Bildinformation, als auf den ersten Blick sichtbar. Sie ist damit eine echte Alternative zum üblichen JPG-Dateiformat.

Vorteile und Nachteile beim Fotografieren im JPG-Format

Menü der Nikon Z50 zur Auswahl des JPG-Formats in der besten Qualitätsstufe

Menü der Nikon Z50 zur Auswahl des JPG-Formats in der besten Qualitätsstufe

Zunächst eine kurze Antwort auf die Frage: Heißt es nun JPG oder JPEG? Das Dateiformat wurde von der „Joint Photographic Experts Group“ als ein Grafikstandard festgelegt. Die Abkürzung war deshalb JPEG. Nun gibt es verschiedene Unterformate für bestimmte Anwendungsfälle (beispielsweise JPG, JPEG, JPE oder JFIF). Außerdem gestatteten Windows-Betriebssysteme nur Dateiendungen mit drei Buchstaben. Somit verwendete man JPG. Wir erzeugen also JPEG-Dateien mit der Endung JPG.

Der Vorteil beim JPG-Format besteht in der sofortigen Verfügbarkeit des Bildes nach der Aufnahme. Man kann es umgehend auf ganz unterschiedlichen Bildschirmen und Computersystemen betrachten. Sowohl am Smartphone als auch auf dem Laptop oder dem Bürocomputer wird es annähernd identisch angezeigt. Gleichzeitig reduziert der Algorithmus die Dateigröße, indem er angeblich unwichtige Bilddetails nicht in der Bilddatei speichert.

Dieser Vorteil ist aber gleichzeitig auch ein Nachteil bei der Immobilienfotografie. Schließlich wollen wir auf Immobilienaufnahmen möglichst detailreich alle Einzelheiten eines Immobilienobjektes zeigen.

JPG manipuliert nahezu ungefragt

Man sollte im JPG-Format immer die größtmögliche Bildgröße wählen, um viele Details zu erfassen.

Man sollte im JPG-Format immer die größtmögliche Bildgröße wählen, um viele Details zu erfassen.

Doch der Eingriff bei den darzustellenden Bildinformationen geht noch weiter. Je nachdem, welchen Algorithmus die Kamera für die Produktion der JPG-Dateien verwendet, kommt es ungefragt zu gut gemeinten Veränderungen bei Kontrast, Farbigkeit und Schärfe. Diese Manipulationen speichert die Kamera anschließend fest in der Bilddatei. Sie sind nur begrenzt zu bearbeiten. Gute Kameras haben zwar so genannte Bildprofile, in denen sich die Stärke dieser automatischen Bildbearbeitung sehr fein einstellen lässt. Da wir aber immer ganz unterschiedliche Motive vor der Linse haben, für die unterschiedliche Werte in Frage kommen, erweist sich ihr Einsatz als wenig effizient – insbesondere, wenn man nicht laufend in die Tiefen der Kamera-Steuerung abtauchen möchte.

Deutlich wird das Dilemma insbesondere bei starken Kontrasten im Bild. Ein Kamerasensor kann nur etwa halb soviele Helligkeitsstufen in einem Bild verarbeiten, als das menschliche Sehvermögen. Also sind bei vielen Immobilienfotos die Außenbereiche überstrahlt oder das Rauminnere unterbelichtet, obwohl wir das bei der Aufnahme ganz anders wahrgenommen haben. Dabei hat so ein Kamerasensor meist einige Reserven, die sich mit der passenden Bildbearbeitung nachträglich aufdecken lassen. Wird jedoch schon vorab diese Reserve durch den JPG-Algorithmus begrenzt, lässt sich auch mit der Retusche nichts mehr retten.

Vorteile und ein Nachteil für RAW-Format

Nikon RAW-Format NEF an einer Z50

Nikon RAW-Format NEF an einer Z50

Auch hier zunächst eine kurze Erklärung zur Dateibezeichnung: Es gibt nicht nur ein RAW-Format. Jeder Kamerahersteller verwendet ein eigenes Format, und selbst jedes Kameramodell eines Herstellers hat ein individuelles RAW-Format, das nicht unbedingt kompatibel mit den Schwestermodellen sein muss. Daher haben RAW-Dateien so unterschiedliche Dateiendungen (Nikon – NEF, Canon – CRW / CR2, Panasonic – RAW, Sony – ARW, Fujifilm – RAF, Adobe – DNG).

Bei der Aufnahme im RAW-Format speichert die Kamera die gesamte Bildinformation annähernd unbearbeitet vom Sensor in eine Bilddatei. Der maximal mögliche Manipulationsspielraum bleibt erhalten, so dass auch schwierige Lichtsituationen besser zu handhaben sind. Der Nachteil ist, dass Smartphones oder Computer die RAW-Dateien nicht von sich aus anzeigen können. Doch dieser Nachteil wird zum Vorteil, wenn man die Bilder mit der passenden Software bearbeitet. Dann lassen sich nämlich alle möglichen Reserven in dieser Bilddatei aktivieren. Erst am Ende erzeuge ich dann eine qualitativ hochwertige JPG-Version , die nicht die Bildmanipulationen der Kamera, sondern genau meine optimierten Einstellungen beinhaltet.

RAW-Format zunächst nicht immer so brilliant wie die Bildvorschau

Anfänger sind häufig enttäuscht, dass ihre RAW-Aufnahmen am Computer eher flau und kontrastarm aussehen. Dabei hatten die Bilder auf dem Kameradisplay doch recht brillant gewirkt. Das kommt daher, dass in jeder RAW-Datei auch eine kleine Version des Bildes im JPG-Format steckt, damit die Kamera es anzeigen kann. Diese JPG-Datei ist jedoch häufig genau so automatisch manupuliert wie eingangs beschrieben. Hier kann es übrigens helfen, bei den Bildprofilen eine Einstellung wie „Normal“ oder „Standard“ zu wählen.

RAW- und JPG-Datei gleichzeitig aufgenommen - Viele greifen aus Bequemlichkeit zum JPG-Format.

RAW- und JPG-Datei gleichzeitig aufgenommen – Viele greifen aus Bequemlichkeit zum JPG-Format.

Das Argument, dass RAW-Dateien so furchtbar groß seien, zieht an dieser Stelle nicht. Erstens ist Speicherplatz heute so preiswert, dass man daran keinen Gedanken verschwenden sollte. Zweitens lassen sich aus einer einmal perfekt bearbeiteten RAW-Datei beliebig viele Zieldateien im JPG-Format herstellen – in verschiedenen Größen und Auflösungen für den jeweils gedachten Einsatzzweck. Profis produzieren so für das Internet oder den Großformatdruck identisch aussehende Dateien, die sich jedoch in der Größe und den Verarbeitungseigenschaften gundlegend unterscheiden können.

Viele Kameras bieten die Option, mit einer Auslösung beide Formate zu speichern. Ich rate davon bei der Immobilienfotografie jedoch ab. Weil in den meisten Fällen die Bequemlichkeit siegt und statt des RAW-Format sofort das kamera-manipulierte JPG verwendet wird. Alle Versprechungen „später mache ich aus der RAW-Datei brilliante Bilder“ fallen in aller Regel dem üblichen Zeitdruck zum Opfer.

Fazit: RAW ist der Schlüssel

links JPG-Datei, rechts RAW-Format – In den extremen Bereichen ließen sich bei der RAW-Datei nachträglich viele Details retten.
So ist das Laub der Bäume vor dem Himmel sichtbar, die Wolkenstruktur wurde zurückgeholt und das Bild erhielt allgemein mehr Tiefe.

 

Auch wenn man für die Fotografie im RAW-Format einen kleinen Umweg nehmen muss, lässt sich mit dem richtigen Workflow eine effiziente Bearbeitung der Bilder bewerkstelligen. Insbesondere die Rettung wichtiger Bilddetails macht dabei den ausschlaggebenden Vorteil aus.

Apropos Effizienz: In meinen Workshops zum Thema Bildbearbeitung für Immobilienfotos gelingt es den Teilnehmern – auch bei durchschnittlicher Computerbegabung – am Ende dieser Tagesveranstaltung in unter zwei Minuten pro Bild zu starken Immobilienaufnahmen zu gelangen. Die meisten bringen ihre alten JPG-Aufnahmen mit und wünschten sich am Ende, dass Sie schon zuvor im RAW-Format fotografiert hätten …

 

 
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