„Eine Sonnenblende an der Kamera ist nur etwas für Angeber.“ Gewiss macht so eine Verlängerung aus einer Mini-Optik ein ansehnliches Objektiv-Rohr und täuscht damit eine imposante Fotoausrüstung vor. Der erfahrene Fotograf weiß jedoch, welchen Schatz er an diesem Stückchen Kunststoff hat – insbesondere wenn es um Immobilienfotos geht.
Natürlich gibt es Situationen, in denen diese Schattenspender für das Objektiv nicht unbedingt erforderlich sind, um bessere Fotos zu machen:
- bei bedecktem Himmel
- bei einer sehr ausgeglichen beleuchteten Szenerie
- mit der Lichtquelle im Rücken.
Sobald aber Lichtquellen direkt auf die Frontlinse des Objektivs strahlen können, erweist sich eine Abschattung als wahrer Helfer.
Begriff Sonnenblende ist manchmal irreführend
Dabei irritiert die Bezeichnung Sonnenblende, da es sich um Licht aus ganz verschiedenen Quellen handeln kann. Zusätzlich zum Sonnenlicht sind häufig auch diese Punktlichter anzutreffen:
- Glühlampen
- LED-Strahler
- Kerzen
- Bühnen-Scheinwerfer
- Straßenlaternen
- Autoscheinwerfer
- Reflexionen dieser Lichtquellen auf glänzenden Oberflächen.
In jedem Fall handelt es sich um punktförmiges Gegenlicht. Deshalb wird für dieses Teil der Fotoausrüstung häufig auch die Bezeichnung Gegenlichtblende (Fotografen-Slang: „GeLi“) verwendet. Da Front-Licht aus verschiedenem Richtungen geblockt werden soll, lautet der wohl technisch korrekte Name Streulichtblende.
Bei besseren Objektiven ist heute fast immer eine Gegenlichtblende Teil des Auslieferungszustandes. Üblich sind folgende Ausführungen:
- Manche Gegenlichtblenden haben eine einfache runde oder leicht eckige Form. Insbesondere bei klassischen Objektiven mit fester Brennweite findet man diese Sonnenblenden. Sie werden in das Filtergewinde an der Objektivvorderseite eingeschraubt.
- Moderne Versionen, in jedem Fall bei Zoom-Objektiven, sind genau für den verwendeten Brennweitenbereich berechnet. Sie bewirken eine möglichst genaue Abgrenzung zum Bildausschnitt bei maximaler Weitwinkel-Einstellung. Solche Streulichtblenden haben die geschwungene Form einer Blüte, mit großen Blütenblättern an den langen Bildkanten und kleineren Blättchen an den kurzen Seiten. So schirmen sie das seitliche Frontlicht maximal ab. Sie werden häufig über einen Bajonett-Klick-Mechanismus vor das Objektiv geklemmt.
- Es gibt auch Sonnenblenden, die fest mit dem Objektiv verbaut sind. Häufig sind bei starken Weitwinkelobjektiven passende Streulichtblenden gleich integriert.
- Ich verwende für einige meiner Objektive variable Lichtblenden aus Gummi. Sie bieten insbesondere für die aktive Fotografie einige Vorteile, weil sie im Action-Modus gleichzeitig noch eine gute Stoßdämpfung gewähren.
Weshalb ist die Gegenlichtblende nötig?
Wenn strahlendes, punktuelles Licht auf das Objektiv fällt, dann muss es auf seinem Weg in die Kamera mehrere einzelne Glaslinsen passieren. Doch lassen diese Linsen das eintretende Licht nicht nur durch. An ihren Oberflächen wird ein Teil des Lichtes reflektiert und zurück auf die davor liegende Linse geworfen, von deren Rückseite erfolgt wieder eine Reflexion in Richtung Kamera. Dieser Vorgang wiederholt sich mit unterschiedlicher Intensität an jeder Linse. Da diese optischen Bauteile gewölbt sind, erfolgen die Reflexionen nicht linear sondern nahezu chaotisch. Das Ergebnis ist ein Bild mit Helligkeitswerten die sich überlagern und kontrastmindernd wirken. Außerdem können die Lichtpunkte auch als einzelne Highlights reflektiert werden. Das äußert sich im Bild als sich wiederholende Lichtflecken, so genannte Lens Flares. Man kennt diese vom verträumten Sonnenuntergangsfoto – wobei Lens Flares hier gern als stilistisches Mittel eingesetzt werden.
Die Streulichtblende schattet nun einen definierten Bereich rund um das Objektiv ab und verhindert zumindest das unkontrollierte Eintreten von leicht seitlichem Gegenlicht. Dieses würde sonst das Objektiv besonders leicht erreichen, weil die Frontlinse von Teleobjektiven, Normalobjektiven und insbesondere von Weitwinkelobjektiven nach außen gewölbt ist.
Bei Innenaufnahmen mit eingeschalteten Lichtquellen werden häufig viele verschiedene Lichtpunkte von der Frontlinse erfasst. Ihre Wirkung lässt sich im Sucherbild meist nicht genau abschätzen. Deshalb garantiert die Sonnenblende in jedem Fall die maximal mögliche Brillianz für die Aufnahme. Die Fotos werden knackiger.
Wann hilft die Streulichtblende nicht?
Trifft das Licht trotz aufgesetzer Blende direkt von vorn auf die Objektivlinse und landet somit sichtbar auf dem späteren Bild, muss man mit den negativen Einflüssen wie mangelnder Kontrast und Lens Flares rechnen. Beide fallen, abhängig von der Art des Objektivs, der verwendeten Brennweite und der Qualität der Objektivlinsen unterschiedlich aus. Preiswerte Objektive sind weniger aufwändig vergütet, um die internen Reflexionen zu vermeiden. Weitwinkelobjektive sind anfälliger, wegen der stark gewölbter Linsenkombinationen.
Tipp für Immobilienfotografen: Lässt sich ein Motiv mit sichtbarer Lichtquelle nicht verhindern, dann sollte zumindest das Objektiv frei von Staub, Fusseln, Schlieren und Fingerabdrücken sein. Und zwar sowohl auf der Front- als auch der Rücklinse. Jedes Staubpartikel kann nämlich ähnliche Effekte auf das Bildergebnis haben.
Was ist die Alternative zur Sonnenblende?
Eine ebenso wirksame Alternative zur passgenauen Gegenlichtblende gibt es nicht. Was gut hilft, sind so genannte Gobos (englischer Film- und Fotostudio-Slang für „Go Between“). Das sind Lichtblocker, die man zwischen Lichtquelle und Objektiv platziert, ohne dass sie im Bild zu sehen sind. Das könnten die belaubten Äste eines Baumes sein oder der Schatten eines großen Möbels. In der Immobilienfotografie ist es manchmal hilfreich, sich in einem Türrahmen weiter zurückzuziehen. Es gibt im Handel aber auch extra dafür vorgesehene Deflektoren und Scrims, und im Internet existieren viele Heimwerkerlösungen. Die meisten davon sind aber eher für den Einsatz im Fotostudio vorgesehen, vielfach sperrig und schlecht zu transportieren.
Eine weitere Lösung ist natürlich die nachträgliche Bildbearbeitung. Was bei flauen Bildern noch mit einigen Handgriffen getan ist, ufert im Falle von Lens Flares mitunter in einen größeren Aufwand aus. Deshalb ist die Montage der Gegenlichtblende das weitaus geringere Übel.
Angenehme Nebeneffekte
- Mit montierter Sonnenblende schützt man gleichzeitig auch die Frontlinse des Objektivs. In der Hektik des Alltags landet schon einmal ein Fingerabdruck auf dem ungeschützten Glas. Das wird mit der Blende erheblich erschwert, weil man erst in die Blende fassen muss, um die Frontlinse zu berühren.
- Außerdem ist so eine Verlängerung ein sehr effektiver Schutz gegen mechanische Einflüsse. Baumelt die Kamera lässig an der Schulter und schlägt ungewollt gegen eine Wand oder einen Türrahmen, hält der Kunststoffschutz mögliche Kratzer und Dellen fern. Im Ernstfall ist es immer noch einfacher, die Blende zu ersetzen (sie ist beileibe teuer genug) als die Reparatur oder den Neukauf des Objektivs entscheiden zu müssen.
- Und dann gibt es noch einen weiteren Nutzen. Bei der Fotografie im Freien schützt eine Streulichtblende auch vor leichten Niederschlägen, denn auch Regentropfen auf dem Objektivglas können das Fotoergebnis erheblich trüben. So wird aus der Sonnenblende eine Regenblende ;-) .
Fazit
Sonnenblenden sind in der Immobilienfotografie ein absolutes Muss – auch und insbesondere, wenn man in Innenräumen fotografiert, denn sie
- verhindern seitlichen Lichteinfall auf das Objektiv,
- ermöglichen somit ein Maximum an Brillianz,
- erschweren Lichtflecken im Bild.
Ich lasse Gegenlichtblenden permanent auf meinen Objektiven aufgesetzt. Um bei der Aufbewahrung und beim Transport Platz zu sparen, kann man die meisten Modelle mit Bajonettverschluss auch verkehrt herum auf dem Objektiv montieren. Dann reichen zwei Drehs und ein Klick – schon ist man in Sekundenschnelle auf der sicheren Seite.