Immobilien richtig fotografieren oder doch photoshoppen?

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 25. April 2022 - in: Fragen und Antworten | Tutorials

Immobilien richtig fotografieren oder doch photoshoppen?Wir haben heutzutage wirklich gute Bildbearbeitungs-Programme zur Hand, aber trotzdem hört man den Hinweis, dass wir schon mit der Kamera unsere Immobilien richtig fotografieren sollen. Das hört sich pedantisch an, oder besserwisserisch oder gar altväterlich. Aber dennoch ist an diesem Tipp etwas dran. Oder?

Ich bin in vielerlei Hinsicht ein Purist. Ich liebe es, wenn meine Fotos realistisch aussehen, und gleichzeitig möchte ich die Zeit für die Nachbearbeitung so gering wie möglich halten. So bleibt einfach mehr Zeit für mehr Geschäft.

Auch den fotografierenden Immobilienprofis wird es nicht anders ergehen. Für viele ist die Bildbearbeitung eher Last als Lust, so dass sie gewiss Besseres mit der dafür verwendeten Zeit anzufangen wüssten. Manche hingegen reagieren pikiert auf den Satz „Du solltest Immobilien richtig fotografieren.“, weil sie der Meinung sind, dass sie ihren Fotos das gewünschte Aussehen besser mit einer Bildbearbeitungssoftware verpassen können.

Ganz ehrlich: Alle meine Immobilienfotos sind bearbeitet, obwohl ich sie vorher schon nach allen Regeln der fotografischen Handwerkskunst aufgenommen habe.

Zeitreise: Trotz Bildbearbeitung Immobilien richtig fotografieren

Es gibt Foto-Asketen, die es grundsätzlich als ehrenrührig empfinden, wenn Bilder vor der Publikation am Computer geschönt werden. Diese ewigen Mahner zitieren gern die analoge Fotografie herbei, als der Film noch nicht manipulierbar gewesen sei. Aber selbst im analogen Zeitalter wurden Fotos massiv bearbeitet. Jedes einzelne Bild musste in der Dunkelkammer vom Negativ auf Fotopapier übertragen werden, um in der anschließenden chemischen Positiventwicklung zur Fotografie zu werden. Und spätestens hier fand ein Großteil der Bildbearbeitung statt. Mit der Konzentration chemischer Substanzen, ihrer Temperatur und der Behandlungsdauer konnten die Bildergebnisse massiv beeinflusst werden.

Das war zeitaufwändig und teuer, und man brauchte einen lichtdichten Raum sowie Einiges an Ausrüstung. Misslang eine Belichtung, ging der aufwändige Vorgang mit einem neuen wertvollen Fotopapier-Bogen immer wieder von vorn los.

Die Meister ihres Fachs haben natürlich viel Zeit im Labor experimentiert, um genau ihren Stil zu treffen. Der bekannte Landschaftsfotograf Ansel Adams hat so manchen ganzen Tag in der Dunkelkammer verbracht, um den einen einzigen perfekten Abzug zu erzielen. Diese Meister konnten sich das leisten, denn sie haben ihre Arbeit für gutes Geld verkauft, so dass sich Zeit und Mühe ausgezahlt haben.

Voraussetzung war aber immer, dass sie ihre Motive zuvor handwerklich korrekt fotografiert hatten – am besten mit dem Laborprozess im Hinterkopf.

Immobilien richtig fotografieren spart Zeit und sichert Qualität

Heute leben wir in einer digitalen Welt, das macht die  Nachbearbeitung an sich relativ preiswert, scheinbar einfach und für fast jeden mit durchschnittlicher Computerbegabung durchführbar. Umfang und Art der möglichen Manipulationen sind schier unermesslich.

Dennoch hört man Fotografen nach wie vor sagen, man solle erstmal Immobilien richtig fotografieren – was aber nicht unbedingt dem Handwerkerstolz aus analogen Filmzeiten entspringt. Auch ich denke, dass es nach wie vor gute Gründe für handwerklich korrektes Fotografieren gibt. Es geht dabei immer um das Einsparen von Zeit und die Bewahrung einer hohen Bildqualität.

Die Hoffnung, dass man aus einem Durchschnittsfoto mit wenigen Mausklicks ein Spitzenbild erzeugt, wird sich nicht erfüllen. Denn nahezu jede nachträgliche Korrektur am Computer nimmt im Vergleich zur korrekten Fotografie vor Ort oft mehr Zeit in Anspruch.

Hier folgen drei typische Beispiele aus der Immobilienfotografie.

1. Belichtung

Wenn man beispielsweise an der Kamera gleich die richtigen Belichtungseinstellungen vornimmt, spart man die spätere Berichtigung am Computerbildschirm. Und zwar nicht nur für ein Foto sondern mit dem richtigen Knowhow gleich für die gesamte Bilderserie eines ganzen Immobilienobjekts. Klar, dass man dabei nicht auf die Anfänger-Automatiken (Vollautomatik, ISO-Automatik) der Kamera setzen darf. Sie sind für die speziellen Lichtbedingungen der Immobilienfotografie überhaupt nicht geeignet. Außerdem leidet später mit jedem massiven Computer-Eingriff in die Tonwerte (Helligkeit, Kontrast, Tiefen, Lichter etc.) die Bildqualität. Das äußert sich bei falschen ISO-Werten dann beispielsweise in einem sehr unangenehmen Bildrauschen oder Farbstichen, was für die Dokumentation von Immobilien keineswegs erwünscht ist.

Die richtigen Belichtungseinstellungen

Die richtigen Belichtungseinstellungen: Links: Das Bild A wurde mit der Vollautomatik der Kamera aufgenommen. Die hellen Fenster sind dominant, der Innenbereich wird unterbelichtet. Nachträglich wurden die Tonwerte am Computer angepasst. Damit entsteht aber im Bildausschnitt B ein heftiges Bildrauschen. Für das Bild C wurde die Belichtung schon in der Kamera korrigiert. Die anschließende Bildbearbeitung konnte moderat erfolgen, so dass im Bildausschnitt D keine Störungen zu bemerken sind.

2. Senkrechte Linien

Ein zweiter wichtiger Bereich ist der korrekte Bildaufbau. Wenn die Kamera beim Fotografieren nicht genau ausgerichtet wurde, muss diese Korrektur auf schöne senkrechte (und teilweise auch waagerechte) Linien am Bildschirm erfolgen. Man hat also nachträglich mehr Arbeit. Was aber noch ärgerlicher ist: Bei jeder Drehung des Fotos oder bei jeder Verbesserung der stürzenden senkrechten Linien werden an den Bildrändern zwangsläufig Bereiche abgeschnitten. Befinden sich dort aber wichtige Informationen für die Bildaussage (Türen, Fenster, Einbaumöbel) oder für die Ästhetik (Designelemente, Mobiliar, Sichtachsen) steht man vor dem Dilemma, entweder die verlorenen Bildbereiche künstlich in das Bild retuschieren zu müssen oder aber sie brutal wegzuschneiden. Erstes nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, zweites beschädigt die Bildaussage. Einen anderen Weg gibt es nicht.


Links: Kamera bei der Aufnahme geneigt und leicht verdreht. Rechts: Gleiches Bild am Computer perfekt ausgerichtet.
Man könnte mit großem Aufwand
die schwarzen Fehlstellen ersetzen. Einfacher ist es aber, die vorhandene Bildfläche
zu nutzen. Die schraffierten Flächen gehen dabei jedoch verloren (bei Beibehaltung des Seitenverhältnisses).

Kamera gerade ausgerichtet

Wird die Kamera gleich beim Fotografieren gut ausgerichtet, kann die Bildfläche viel mehr nutzbare Bildinformation aufnehmen und möglicherweise wichtige Bildinformationen an den Bildrändern müssen nicht weggeschnitten werden. Die exakte Ausrichtung am PC ist später nur noch ein kleiner Eingriff (siehe unten).

3. Fokussierung

Und dann gibt es noch ein Qualitätskriterium, das sich nicht wirklich in der Bildbearbeitung beheben lässt: die Bildschärfe. Ein wirklich unscharfes oder verwackeltes Foto kann nicht realistisch in eine scharfe Abbildung umgewandelt werden, denn fehlende Details an den unscharfen Kanten lassen sich nicht ohne Weiteres ersetzen. Es gibt Spezialprogramme, die versuchen, mit Künstlicher Intelligenz dieses Problem zu beheben. Einfacher ist es jedoch allemal, gleich ein gut fokussiertes Bild zu erzeugen, das von Hause aus die nötige Brillanz mitbringt.

Bildbearbeitung dennoch zwingend erforderlich

Und trotzdem präsentiere ich keines meiner eigenen Immobilienfotos ohne, dass es zuvor am Computer finalisiert wurde.

Das hängt mit den speziellen Bedingungen (Lichtverhältnisse & Platz) und Anforderungen (Ästhetik & Wahrhaftigkeit) des Genres Immobilienfotografie zusammen.

Hier folgen vier typische Beispiele aus der Immoblienfotografie.

1. Dynamikumfang

Im Vergleich zu unserem Augenlicht kann selbst professionelle Fototechnik nur einen Teil des wahrnehmbaren Helligkeitsspektrums in einem Foto erfassen. Wir erkennen mit unseren Augen also mehr dunkle und helle Bereiche gleichzeitig. Ein unbearbeitetes Foto zeigt Details immer nur in den hellen oder in den dunklen Bereichen. Also sind Fenster häufig überbelichtet oder Innenbereiche eben unterbelichtet. Hier helfen verschiedene Bildbearbeitungstechniken (HDR) in Verbindung mit der richtigen Aufnahmeprozedur (Bracketing) und dem passenden Dateiformat (RAW). Sie erhöhen den so genannten Dynamikumfang.


Links: Foto mit Messergebnis der Kamera – der Außenblick ist gut belichtet, die dunklen Bereiche im Inneren haben zu wenig Details.
Rechts: Nachträglich erzeugte HDR-Aufnahme aus drei Bracketing-Bildern – Details sind sowohl Außen als auch Innen erkennbar.
Das Histogramm (oben links) zeigt jeweils die Verteilung der Helligkeitswerte.

2. Senkrechte Linien perfektionieren

Auch wenn wir die Kamera schon sehr gut ausgerichtet haben, kann man in der Bildbearbeitung das Ganze noch weiter perfektionieren. Gut produziertes Ausgangsmaterial hält den entstehenden Bildverlust an den Rändern minimal und unschöne Verzerrungen können verhindert werden.


War die korrekte Ausrichtung der Kamera schon eine sehr gute Annäherung (links), schafft die anschließende Feinjustage am Computer
ein exaktes Ergebnis (rechts). Der Bildverlust durch die geringfügige Korrektur ist nur minimal.

3. Optikfehler

Die für Amateure und Profis erschwingliche Objektivtechnik ist immer ein Kompromiss. In der Immobilienfotografie kommen häufig Weitwinkelobjektive zum Einsatz, um Räume möglichst auf einem Bild zu zeigen. Diese Objektive haben aber mehr oder weniger sichtbare Abbildungsfehler insbesondere an den Bildrändern (dunkle Ecken, gebogene Kanten, Farbsäume). Diese sind in der Bildbearbeitung zu korrigieren. Würden diese Fehler schon in Optik korrigiert sein, wären die Objektive unbezahlbar und vermutlich auch groß und schwer.

4. Lokaler Weissabgleich

Unser Gehirn kann Farbstiche, die wir in einer Original-Szene betrachten, ausgleichen. So fällt uns der Unterschied zwischen blauhaltigem Außenlicht, das durch die Fenster hereinströmt und der warmen Lichtstimmung im Rauminneren nicht sonderlich auf. Eine Kamera ist aber bei Lichtfarben unbestechlich. Sie zeigt unterschiedliche Lichtfarben in einem Foto deutlich. Erst in der Nachbearbeitung lässt sich eine harmonische Farbgebung erzielen.


Links: Das von außen hereinströmende Licht hat einen sehr hohen Blauanteil, während die Innenbeleuchtung sehr warm ist.
Rechts: In der Software lässt sich dieses Manko ausgleichen.

Mit den professionellen Programmen Adobe Lightroom und Photoshop haben wir heute für vergleichsweise kleines Geld mächtige Werkzeuge in der Hand, die fast jede Bildmanipulation ermöglicht. Damit eine realistische Abbildung entsteht, sind jedoch ein guter Blick und etwas Übung notwendig. Und natürlich dürfen die Manipulationen bei Immoblienfotos nicht in Bildfälschungen enden.

Fazit: Immobilien richtig fotografieren – es geht nicht ohne

Für ein gutes Immobilienfoto ist immer eine technisch saubere Fotografie von Vorteil. Denn die Erfahrung lehrt, dass es wesentlich zeitsparender ist, gleich richtig zu fotografieren als die Aufnahmen später am Bildschirm aufwändig zu korrigieren.

Dennoch bleiben bei jedem Foto noch ausreichend kleinere Korrekturen übrig, die eine nachträgliche Bildbearbeitung erforderlich machen, um dem Foto die finale Politur zu verleihen.

Am Ende geht es um Effizienz und Qualität. Um beide Disziplinen zu beherrschen, ist es empfehlenswert, noch einmal kurz die Schulbank zu drücken.

Links zum Thema

Workshop Grundlagen der Immobilienfotografie

Workshop Bildbearbeitung für Immobilienfotos

Angebot Retusche von Immobilienaufnahmen

 
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