Es gibt unendlich viele schlechte Immobilienfotos. Ein beliebiger Blick in irgend eines der gängigen Immobilienportale reicht aus. *sarkasmusmodus_an* Einziger Vorteil: Die wenigen Angebote mit starken Fotos fallen sofort auf. Wenn das Ihre sind: „Herzlichen Glückwunsch!“ *sarkasmusmodus_aus* Weshalb aber sind viele schöne Immobilien so grottenschlecht bebildert? Die digitale Fotografie ist schuld. Und die einfach zu bedienenden Foto-Werkzeuge, die heute fast jeder in der Hosentasche herumträgt. Sie verleiten zum Knipsen, statt zu fotografieren. Nahezu gedankenlos werden sie benutzt und dabei meist mehrere fotografische Todsünden gleichzeitig begangen.
Was wollen wir mit Immobilienfotos erreichen? Wir wollen den Betrachter überzeugen, wollen ihn einladen, sich näher mit dem Objekt zu befassen, wollen sein Interesse wecken. Dazu benötigen wir ein „angenehmes Betrachtungserlebnis“. Und das wiederum gelingt nur, wenn die Fotos grundlegende Maßstäbe erfüllen.
Kennen Sie dieses Szenario?
Auf einer Familienfeier zieht Onkel Robert sein Smartphone aus der Tasche und zeigt die Fotos von seinem letzten Urlaub im Harz.
- Der Onkel ist Technik-Fan, doch sind bei der schwarzen Lokomotive der Brocken-Bahn keine Details zu erkennen, weil die Umgebung in gleißendes Sonnenlicht getaucht war.
- Der Ausblick vom höchsten Harz-Berg war womöglich atemberaubend, aber der schiefe Horizont hätte eigentlich die Häuser in der Ferne einstürzen lassen müssen.
- Dann folgen unsäglich viele Bilder von Frühstücks- und Abendbuffets, die alle gleich langweilig aussehen.
- Und zum Schluss zeigt er eine gesellige Runde mit Gesichtern unbekannter Urlaubsbekanntschaften, die völlig verwackelt sind.
Und das Schlimme daran: Onkel Robert ist auf diese Fotos stolz. Er ist sich keiner Fehler bewusst, weil er von der schieren Möglichkeit dieser kleinen Kamera so begeistert ist. Der Rest der Verwandten nickt, sagt „Ah!“ und „Oh!“ – bestenfalls, weil sie höflich sein wollen.
In den meisten Fällen erkennen jedoch auch die Betrachter diese Todsünden nicht, weil sie selbst genauso mies fotografieren. Sie geben sich bei ihren eigenen Bildern mit mäßig-unterirdischer Qualität zufrieden.
Bei Urlaubsfotos ist das nicht so schlimm, aber …
Todsünden bei Fotografieren von Immobilien
… das Dumme daran ist, dass viele Immobilienprofis mit dem gleichen schlichten Anspruch an die Fotos für ihr eigenes Geschäft herangehen. Denn diese jährliche Analyse beweist immer wieder auf’s Neue, dass genau solche miserablen Fotografen offensichtlich einen Großteil der Immobilienmakler ausmachen.
Dabei ist es so einfach, mit ein paar kleinen Handgriffen und etwas Knowhow bessere Fotos hinzubekommen.
In diesem Beitrag beziehe ich mich ausschließlich auf Fehler, die beim Fotografieren gemacht werden. Die unzureichende Vorbereitung eines Fototermins oder das weite Fehlerfeld der nachträglichen Bildbearbeitung lassen wir vorerst nahezu unbeachtet.
Todsünde 1: Stürzende Linien
Wenn wir einen Innenraum fotografieren, neigen wir die Kamera meist automatisch nach unten. Das hat unter anderem psychologische Gründe. Der Effekt ist aber, dass auf dem Foto am Baukörper und an den Möbeln alle senkrechten Linien nach oben auseinanderstreben. Der Maurer hatte das Gebäude jedoch vermutlich mit einer Wasserwaage gebaut, so dass die senkrechten Kanten von Fenstern, Zimmerecken oder Türen auch tatsächlich senkrecht sind.
Gleiches gilt übrigens auch bei Fassadenaufnahmen im Außenbereich. Nur werden hier im Unterschied zu Innenräumen, die Kameras häufig nach oben gerichtet, was unweigerlich in nach oben zusammenlaufenden Linien mündet.
In einer Bibliothek – links: senkrechte Linien stürzen, das Bild wirkt unruhig /
rechts: alles senkrecht, Kamera genau ausgerichtet (und ein bisschen die Möbel gerückt)
Lösung: Beim Betrachter der Bilder setzt sich jedoch erst dann ein angenehmeres Gefühl fest, wenn die Senkrechten auch senkrecht abgebildet sind. Das erreicht man mit einer korrekten Kameraausrichtung.
Man kann die korrekte Ausrichtung auch nachträglich am Computer zurechtschummeln, jedoch wird das Bildergebnis realistischer, je weniger nachträglich in die Perspektive eingegriffen werden muss.
Kleiner Nachtrag: Wenn Sie bei der Aufnahme exakt parallel zu einer gegenüberliegenden Wand oder Fassade stehen, dann müssen auch die waagerechten Kanten exakt ausgerichtet sein. Wenn Sie schräg in einen Raum hinein- oder die Fassade seitlich fotografieren, sind nur die Senkrechten betroffen.
Todsünde 2: Ausgebrannte oder abgesoffene Bildbereiche
Das vorhandene Licht ist häufig ein Problem. Die hellen Bereiche sind meist überstrahlt ausgebrannt oder die Schatten saufen in dunklen Tönen ab. Unter krassen Lichtbedingungen trifft auch beides zu. Das hängt mit der mangelnden Leistung unserer Kameras zusammen. Selbst sehr gute Kameras können in einem Bild nur etwa die Hälfte der Helligkeitsstufen unseres menschlichen Sehvermögens darstellen. Die Kamera entscheidet sich meist dafür, das eine oder das andere Extrem korrekt zu belichten oder für die Mitte (dann sind beide Extreme betroffen).
Das betrifft bei Innenfotos beispielsweise die krassen Lichtunterschiede zwischen Innen- und Außenbereichen oder bei Außenaufnahmen zwischen heller Fassade und starken Schatten der gleißenden Mittagssonne.
links: aufgenommen bei greller Sonne (17:17 Uhr), ausgeschaltetem Licht und mit dem kleinen Sensor eines Smartphones /
rechts: gewartet auf tieferen Sonnenstand (19:22 Uhr), Licht eingeschaltet und mit einer „richtigen“ Kamera fotografiert
Lösung: Abgesehen von speziellen Aufnahme- und Bildbearbeitungstechniken, kann man mit drei Maßnahmen schon bei einer ganz normalen Aufnahme diesem Dilemma entgegenwirken:
- Es bietet sich also an, dann zu fotografieren, wenn die Lichtunterschiede nicht so groß sind: also in den Morgen- und Nachmittagsstunden. Grelle Mittagssonne ist zu meiden. Bedeckter Himmel wäre ideal, wird aber von den meisten Maklern abgelehnt. Okay, suchen wir also nach weiteren Möglichkeiten.
- Die Lichtunterschiede lassen sich weiter verringern, indem bei Innenaufnahmen die Beleuchtung eingeschaltet wird.
- Eine Kamera mit großem Bildsensor kann die Lichtunterschiede besser verarbeiten, als der Mini-Sensor in kleinen Kameras oder Smartphones.
In den meisten Fällen wird es aber trotzdem notwendig sein, diese Bilder am Computer zu korrigieren. Nur wenn der Lichtunterschied durch die genannten Maßnahmen nicht mehr so groß ist und die nachträgliche Reparatur nicht so aggressiv ausfallen muss, dann können weitere unschöne Nebeneffekte minimiert werden.
Todsünden 3: Unsaubere Bildränder
Ein Fehler, der häufig im Eifer des Gefechts begangen wird, macht Nummer 3 in unserem Todsünden-Katalog aus: störende Dinge an den Bildrändern. Bei Außenaufnahmen sind es einzelne Zweige, die in das Bild hineinragen oder Gartenelemente, die am Bildrand abgeschnitten sind. Bei Innenfotos betrifft dies häufig angeschnittene Türklinken und Lichtschalter sowie Mobiliar oder Technikkram in den Wohnungen.
Das passiert bei Fotolaien häufig deshalb, weil sie sich auf das Hauptmotiv in der Bildmitte konzentrieren. Beim Betrachter, der das Motiv vorher nicht gekannt hat, wirken Randstörungen jedoch ablenkend. Das kann nicht Ziel eines guten Immobilienfotos sein.
Lösung: Bevor Sie auf den Auslöser drücken, lassen Sie das Auge am besten einmal rings um das Bild im Sucher oder auf dem Monitor schweifen und korrigieren Sie gegebenenfalls die Kameraposition oder die Brennweite.
Todsünde 4: Direkter Blitz (auf der Kamera)
Wir sprachen zwei Sünden zuvor bereits über das Licht. Was liegt also näher, als den Lichtausgleich mit ausreichend künstlichem Licht zu erzeugen? Dazu benutzen viele gern das aufsteckbare Blitzlicht und versuchen, die Szene damit auszuleuchten. Das Dumme an dieser Lichtquelle ist jedoch, das sie vergleichsweise winzig ist. Ihre Leuchtkraft reicht meist über die eines Party-Blitzes nicht hinaus. Es gibt einen verhältnismäßig starken Lichtabfall, so dass Motivteile in Kameranähe überbelichtet sind und fernere Gegenstände unterbelichtet erscheinen. Außerdem erzeugt ein Blitz, der direkt von der Kamera in die Szene strahlt, harte und nunnatürliche Schatten.
Lösung 1: Fotografieren Sie ohne Blitz. Mit den richtigen Kameraeinstellungen können Sie sehr gut belichtete Aufnahmen mit dem vorhandenen Licht erstellen. Empfehlenswert ist die Verwendung eines Stativs, weil es mitunter zu längeren Belichtungszeiten kommt und damit die Gefahr der Verwacklung besteht.
Lösung 2: Verwenden Sie den Blitz von der Kamera entfesselt und setzen Sie ihn gezielt wie eine Lichtquelle (Stehlampe, Spot) im Raum ein. Angesteuert wird der Blitz am besten drahtlos oder per Funk. Diese Zusatzausrüstung ist für kleines Geld zu haben.
Todsünde 5: Extreme Weitwinkel
Bei Immobilienfotos gibt es häufig ein Dilemma: Die Räume sind so klein, dass sie mit einem Foto nicht formatfüllend abgebildet werden können. Also verwendet der Immobilienfotograf ein Ultra-Weitwinkelobjektiv. Diese spezielle Optik kann zwar große Bildwinkel erfassen, hat aber einige optische Nachteile:
- Gegenstände an den Bildrändern werden verzerrt dargestellt.
- Gegenstände in der Bildmitte erscheinen deutlich kleiner.
- Die Bildqualität nimmt ab in Richtung der Bildränder und insbesondere der Ecken.
- Und das Wichtigste: Ein kleiner Raum wirkt größer als er tatsächlich ist.
links: ohne ausreichenden Weitwinkel (Kompaktkamera) wird eigentlich nur eine Zimmerecke fotografiert
rechts: mit Ultra-Weitwinkel in Optimalstellung kommt der gesamte Raum zur Geltung (und natürlich ordentlich fotografiert)
Lösung: Ja, legen Sie sich ruhig ein starkes Ultra-Weitwinkelzoomobjektiv zu. Nutzen Sie aber nicht den gesamten Bereich. Bewahren Sie die extreme Brennweite als „eiserne Reserve“, falls es wirklich mal nicht anders geht.
Als Faustregel gilt: Der maximale Weitwinkel sollte höchstens 35% der Normalbrennweite betragen. Wenn Sie mit einer Kamera mit APS-C-Sensor fotografieren, sind das etwa 12 mm, während es beim Vollformatsensor rund 18 mm sind.
Wenn Sie den Raum mit einer größeren Brennweite als 12 / 18 mm erfassen können, um so besser – dann stellen Sie am Objektiv den passenden höheren Wert ein.
Todsünde 6: Unordnung im Bild
Ja, ich weiß: Sie sind Makler und nicht die Mama, die fremden Kindern das Zimmer aufräumt. Aber trotzdem wirken Bilder harmonischer, wenn eine bestimmte Ordnung herrscht. Auch hier geht es wieder darum, den Betrachter nicht vom eigentlichen Motiv abzulenken. Im Prinzip gibt es zwei Arten von Ordnung:
- faktische Ordnung (Sauberkeit & Aufgeräumtheit)
- optische Ordnung (Reduktion & Harmonie)
links: Urzustand / rechts: nach 2 Minuten Arbeit (Leiter weg, Tür zu, Vorhang gerichtet, Bodenvase umgestellt
und natürlich ordentlich fotografiert)
Lösung: Jeder fotografierende Makler hat hier seine eigene Taktik: So berichten mache Makler in meinen Immobilienfoto-Workshops, dass sie vorab eine Checkliste versenden mit wichtigen Dingen, die für den Fototermin vorzubereiten sind. Es gibt welche, die brechen den Fotoshoot ab und kommen wieder, wenn Ordnung herrscht. Andere legen selbst Hand an. Und wieder andere akzeptieren die Unordnung und fotografieren einfach (oder hoffen, dass sich das Chaos nachträglich mit Photoshop beseitigen lässt).
Natürlich hängt es auch davon ab, wer für die Ordnung verantwortlich ist. Bei Mietern ist es naturgemäß immer schwieriger, bei Eigentümern kann man mit dem Hinweis auf eine bessere Vermarktung die Ordnung durchsetzen.
Todsünde 7: Unerwünschte Reflexionen
Moderne Räume sind heute vielfach mit spiegelnden Oberflächen ausgestattet. Das beginnt beim normalen Ankleidespiegel, setzt sich aber umgehend fort über glänzende Möbelfronten, Glas- und Fliesenflächen in Küchen und Bädern sowie große Fensterfronten. Grundsätzlich gibt es zwei Fallstricke, die zu vermeiden sind:
- In der Reflexion können der Fotograf und seine Ausrüstung erscheinen.
- Es wird Licht reflektiert, das nicht zum Bild passt, weil es aus einem Bereich kommt, der außerhalb des Fotos liegt.
Auch hier geht es wieder darum, die Ablenkung des Betrachters vom eigentlichen Bildinhalt zu verhindern.
links: Fotograf ist trotz Blumentopf im Spiegel und in der Toilettenspülung zu sehen, Reflexion aus dem Flur in der Duschtür /
rechts: Keine störenden Reflexionen – Der Fotograf war im Nebenraum, Kamera wurde fernausgelöst, die Duschtür wurde wenige Zentimeter geschlossen.
Lösung 1: Das Foto vor der Aufnahme und insbesondere danach genau untersuchen, ob solche Reflexionen auftreten. Im Vorteil sind jene Fotografen, die direkt in ein Tablet oder Laptop fotografieren, weil sie solche Störungen auf dem großen Bildschirm viel besser wahrnehmen können. Anschließend Reflexionsquelle entfernen oder Aufnahmeposition verändern.
Lösung 2: Wenn man die Reflexion nicht verhindern kann, kann man es mit einem so genannten Polarisationsfilter versuchen. Dieser wird am Objektiv montiert und kann Reflexionen auf nichtmetallischen Oberflächen vermindern. Hier muss man in jedem Fall etwas experimentieren, zumal der Effekt vom jeweiligen Lichteinfall abhängt. Wenn es klappt, ist das Ergebnis verblüffend.
Fazit: Todsünden vermeiden ist relativ einfach
Sie haben jetzt einige Lösungsansätze gelesen, wie man diese Todsünden umgehen kann. Natürlich beginnt das Ganze mit einer passenden Fotoausrüstung. Jaja, ich weiß: ‚Der Fotograf macht das Bild und nicht die Kamera.‘ Aber ohne das richtige Werkzeug ist die ganze Mühe vielfach vergebens.
Und damit der Fotograf weiß, wie man die nun bekannten Todsünden im Detail und vor allem effizient verhindern kann, ist auch etwas Fortbildung angeraten.