Kamera-Update für Immobilienfotos: Spiegelreflex oder spiegellose Systemkamera?

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 16. März 2022 - in: Ausrüstung | Fragen und Antworten

Spiegelreflex oder spiegellose Systemkamera?In den letzten vier Jahren wurde der Kameramarkt ordentlich durcheinandergewirbelt. Seit die beiden großen Kameramarken Nikon und Canon im Jahr 2018 mit ihren spiegellosen Kameras zum Vorreiter in diesem Produktsegment, Sony, aufschließen konnten, ist die Verwirrung häufig gross: Kaufe ich nun eine Spiegelreflex- oder spiegellose Systemkamera?

Weshalb sind Spiegelreflex-Kameras so erfolgreich?

Als die Dresdener Firma Ihagee (ursprünglich als Industrie-und Handelsgesellschaft gegründet) 1936 mit dem Kameramodell „Kine-Exakta“ die erste Kleinbild-Spiegelreflexkamera der Welt auf der Leipziger Messe vorstellte und dann in Serie produzierte, war eine neue Kameraklasse geboren. Diese Kamera vereinte erstmals viele Eigenschaften, die insbesondere mobile Fotografen bis heute schätzen.

Auch in der Immobilienfotografie waren davon einige maßgeblich, und sind es bis heute, wenn es um die Kaufentscheidung geht:

  • Nachfolgerin der Kine-Exakta aus dem Jahre 1968, eines der letzen Modelle unter dem Markennamen Ihagee.

    Nachfolgerin der Kine-Exakta aus dem Jahre 1968, eines der letzen Modelle unter dem Markennamen Ihagee.

    Statt Platten oder Großformaten, konnte sie ab den 30er Jahren mit Kleinbildfilm aus der Kinowelt arbeiten. Der Film wurde jedoch im Vergleich zur Kinokamera um 90 Grad gedreht, so dass der Filmtransport zum nächsten Bild horizontal erfolgen konnte. Gleichzeitig wurde damit ein Format festgelegt, das uns bis heute begleitet: 24 x 36 mm. Diese Größe hatten seither Negative und Dias in so genannten Kleinbildformat aber auch das heutige digitale Vollformat hat genau diese Maße beibehalten. Damit war eine handliche Kameragehäusegröße möglich, was bei der portablen Fotografie außerhalb des Studios bis heute sehr geschätzt wird.

  • Die Verschlusskonstruktion gestattete sehr variable und exakte Belichtungszeiten zwischen 12 Sekunden und 1/1000 Sekunde. So war die Kamera mit entsprechenden Objektiven und verschieden empfindlichen Filmen universell auch unter schwierigen Lichtbedingungen praktikabel einsetzbar. 
  • Die Kamera gestattete einen einfachen Objektivwechsel, um nacheinander schnell verschiedene Bildwinkel aufzunehmen. Dafür konnte die jeweils benötigte Optik über einen Bajonettverschluss stabil mit dem Kameragehäuse verbunden und auch mit zwei Handgriffen wieder gelöst werden. Die ersten Brennweiten reichten von 30 mm bis 800 mm. Spätere Weiterentwicklungen von Hochleistungsoptiken führten auch zu stärkeren Weitwinkelobjektiven, die mit der gleichen einfachen Technik an die Kamera montiert wurden und beispielsweise formatfüllende Aufnahmen von Innenräumen gestatteten.

Was ist das Besondere an der Spiegelreflex-Kamera?

Vereinfachtes Funktionsschema einer Spiegelreflexkamera

Vereinfachtes Funktionsschema einer Spiegelreflexkamera: Das Licht wird vom Objektiv (1) gebündelt in die Kamera geführt. Der Schwingspiegel (2) leitet die Lichtstrahlen nach oben um. Im Pentaprisma (3) wird das Bild seitenkorrigiert und erneut umgelekt, damit man über das Okular (4) die Szene live und formattreu beurteilen kann. Direkt nach dem Auslösten schwingt der Spiegel (2) nach oben und gibt den Lichtweg frei auf den Kamerasensor (5).

Ältere Kameras und auch sehr preiswerte analoge Kameras bis in die 2000er Jahre hatten hingegen meist zwei Objektive: eines zum Fotografieren und eines für den Sucher. Letztere waren oberhalb und seitlich versetzt angeordnet, so dass man beim Fotografieren immer schätzen musste, welcher Bildteil denn nun auf dem Film landete.

Im Gegensatz dazu spricht man auch von einer einäugigen Spiegelreflex-Kamera (SLR – Single Lens Reflex).

Wie Bezeichnung verrät, befindet sich in dieser Kamera ein Spiegel. Dieser reflektiert das Bild in der Kamera nach oben. Damit ist es möglich, durch den oberhalb des Films oder Sensors eingebauten Sucher beim Fotografieren die exakte Live-Szene zu beobachten. Das betrifft sowohl den genauen Bildausschnitt als auch die verwendete Brennweite.

Ist man für die Aufnahme bereit und drückt den Auslöser, dann schwingt der Spiegel hoch und gibt für das Licht den Weg zum Film oder Sensor frei. Nach erfolgter Aufnahme klappt der Spiegel zurück in die Ausgangsstellung und das Live-Bild ist wieder zu sehen.

Ab 2003 kamen dann erstmals massentaugliche digitale Spiegelreflexkameras (DSLR – Digital Single Lens Reflex) der Hersteller Canon und Nikon auf den Markt. Sie funktionierten größtenteils wie ihre bis dahin entwickelten analogen Geschwister, nur dass anstatt des Films nun ein lichtempfindlicher Sensor saß, der das in die Kamera strömende Licht elektrisch verarbeitete. Das Grundprinzip ist also bis heute das gleiche, nur die Ausgabe erfolgt inzwischen zeitgemäß in elektronischer Form.

Was machen spiegellose Systemkameras anders?

Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die Feinmechanik in den Spiegelreflex-Kameras durch elektronische Bauteile ersetzt wurde. An die Stelle des Spiegels tritt bei modernen Modellen direkt der Kamerasensor. Dieser überträgt sein Live-Bild auf den rückwärtigen Kameramonitor oder auf einen kleinen Monitor, den man über den klassischen Sucher nutzt.

Moderne spiegellose Systemkamera Nikon Z50 aus dem Modelljahr 2020.

Moderne spiegellose Systemkamera Nikon Z50 aus dem Modelljahr 2020. Klein, leicht und extrem leistungsfähig,

Durch den Wegfall der rein optischen Bildübertragung zum Sucher waren spiegellose Systemkameras (DSLM – Digtal Single Lens Mirrorless) kompakter und mit weniger Gewicht zu konstruieren.

Bei der Gelegenheit haben die beiden Technologie-Nachzügler Nikon und Canon aber auch gleich neue und leistungsfähigere Objektivserien eingeführt. Die Objektive rücken näher an den Kamerasensor heran. Außerdem lassen sich durch ein nunmehr größeres Bajonett stärkere Optiken entwickeln. Diese sorgen für eine bessere Bildqualität bis an die Bildränder und in die Ecken.

Keine Sorge, wer ältere leistungsstarke und teure Objektive der jeweiligen Marke besitzt, kann diese nahtlos über verfügbare Adapter weiternutzen. Aber ganz ehrlich, wenn man in der Vergangenheit nicht gerade mit einem Profi-Objektiv (bei Nikon mit einem Goldrand und bei Canon mit einem roten Rand) gearbeitet hat, sollte man beim Umstieg in die neue Kameraklasse auch über eine Objektivneuanschaffung nachdenken. Der Vergleich der Bildergebnisse mit alten Amateur-Objektiven am Adapter ist meist frappierend.

Und nun? Neukauf? Spiegelreflex- oder Spiegellose Systemkamera?

Ob Sie sich nun für eine Spiegelreflex- oder eine spiegellose Systemkamera entscheiden, hängt von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Es gibt im Prinzip vier Szenarien:

  1. Wer bereits mit einer gut funktionierenden Spiegelreflex-Ausrüstung arbeitet, muss nicht in Panik verfallen. In der Vergangenheit hat sich bewahrheitet, dass man nach etwa sieben Jahren einen Kamera-Neukauf anstreben kann. In dieser Zeit ist die technische Entwicklung soweit fortgeschritten, dass sich neue Funktionen und bessere Qualität im werblichen Einsatz bemerkbar machen. Das Gute ist: Wenn sie zuvor in starke Objektive investiert und diese schonend behandelt haben, können Sie diese wie beschrieben an der neuen Kamera weiterverwenden, müssen also nur das Kameragehäuse der gleichen Marke austauschen. Interessanter Fakt für Gewerbetreibende: Dieser Zeitraum fällt zufälligerweise auch mit der Abschreibungsdauer für fotografische Anlagegüter zusammen.
  2. Zunehmend gibt es derzeit preiswerte Spiegelreflexausrüstung als Gebrauchtgerät. Denn immer mehr Fotografen aller Genres und Klassen steigen auf die neue spiegellose Technik um und verkaufen ihr altes Equipment. Für Fotobeginner ist das vielleicht eine Chance, mit kleinem finanziellen Einsatz die ersten Erfahrungen mit einer „richtigen Fotoausrüstung“ zu sammeln.
  3. Wer jedoch bereits fotografiert und nur mittelklassige Objektive hat (die ohne Ring), der sollte intensiv über einen Systemwechsel nachdenken. Spiegellose Systemkameras mit passenden Objektiven bieten nämlich durchaus einige Vorteile:
    • Sie sind etwas kleiner.
    • Ihr Gewicht ist etwas geringer.
    • Die Bildqualität ist durchweg besser.
  4. Wer sich sicher  ist und einfach nur eine neue Fotoausrüstung braucht, der sollte gleich in ein spiegelloses System investieren.

Für alle vier Szenarien habe ich die passenden Gerätschaften in meinen Empfehlungen zur Basisausrüstung für die Immobilienfotografie zusammengefasst. Das von mir aktuell favorisierte Set ist in dieser Zusammenstellung farbig unterlegt.

 
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