Viele Jahre galten Zoomobjektive im unteren Preissegment als Touristenware. Da fuhr Papa mit seiner neuen Spiegelreflexkamera und zwei Zoomobjektiven in den Urlaub und konnte bequem alle Ferienmotive der Familie auf Film oder Dia bannen. Das funktionierte leidlich gut, solange die Fotos nicht stark vergrößert wurden. Dann machten sich nämlich die Schwächen dieser preiswerten Objektive bemerkbar. Die Frage nach Zoomobjektiv oder Festbrennweite stellte sich für Profis nicht. Im nahen Bereich fotografierten sie fast ausschließlich mit Festbrennweiten-Objektiven, erst für entfernte Motive wählten sie – meist aus Kosten- und Gewichtsgründen – Profizooms.
Zoomobjektiv oder Festbrennweite-Objektiv – was unterscheidet sie?
Der Unterschied ist recht einfach erklärt: Mit einem Festbrennweiten-Objektiv erfassen Sie einen bestimmten Bildwinkel. Für unterschiedliche Bildwinkel (ganzer Raum oder Details in der Ferne) benötigen Sie also verschiedene Objektive mit unterschiedlichen Brennweiten. Bei einem Zoomobjektiv stellen Sie die Brennweite über einen Drehring oder einen Zoomschalter auf verschiedene Brennweiten ein und sind damit in der Lage, unterschiedliche Bildwinkel zu erfassen. Sie sparen also erhebliche Mängen an Fotogepäck, weil Sie für mehrere Szenarien nur ein Objektiv benötigen. Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen:
- Ultra-Weitwinkelzooms (14-30 mm Brennweite*),
- Normalzooms (24-70 mm Brennweite*) und
- Telezooms (70-200 mm Brennweite*).
Natürlich gibt es für spezielle Anwendungen Objektive, die über die genannten Werte hinausgehen. Andere Objektive sind mit Blick auf spezielle Zielgruppen für andere Brennweitenbereiche konstruiert. Beliebt bei Touristen sind hier so genannte Superzooms, die von 27-300 mm Brennweite* ein enormes Spektrum abbilden, aber für gewöhnlich keine optimale Bildqualität liefern.
*Brennweitenangaben
In diesem Artikel verwende ich Brennweitenangaben, die für Kameras mit Vollformatsensoren (24 x 36 mm) gelten. Viele Kameras für den semiprofessionellen Bereich haben jedoch aus Kosten- und Platzgründen kleinere Sensoren, beispielsweise mit der Bezeichnung DX oder APS-C. Wichtig für den Objektivkauf: Um den gleichen Bildausschnitt auf dieser kleinere Bildfläche zu verewigen, benötigen Sie Objektive mit kleineren Brennweiten. Diese lassen sich einfach umrechnen – bei Nikon und Sony um den Faktor 1,5, bei Canon um den Faktor 1,6.
- Das Weitwinkelzoom mit 14-30 mm am Vollformat benötigt also für den gleichen Bildausschnitt an einer APS-C-Kamera eine Brennweite von etwa 10-20 mm.
- 24-70 mm an Vollformat entsprechen rund 16-50 mm an APS-C.
- 70-200 mm an Vollformat sind circa 50-130 mm an APS-C.
Was sind die Vor- und Nachteile?
Zoomobjektiv oder Festbrennweite – beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile.
Zoomobjektive
Der Vorteil des Zoomobjektivs ist ganz klar die genannte Variabilität sowie das geringere Packmaß und Gewicht im Vergleich zu mehreren erforderlichen Festbrennweiten.
Fotografen nennen gern zwei entscheidende Nachteile für Zooms.
- Zum einen ist es die schlechtere Bildqualität – in den extremen Bereichen insbesondere an den Bildrändern festzustellen. Sie äußert sich durch Farbsäume an Kontrastkanten, abnehmende Schärfeleistung, Abdunklung der Bildecken und gebogene Kanten und Linien. Die Anzahl und Ausprägung dieser Fehler nimmt mit steigendem Objektivpreis ab. Je größer der Brennweitenbereich, um so stärker fallen diese Bildfehler auf (Stichwort Superzoom).
- Als weiteren Nachteil bei Zooms erwähnen die Fotografen gern, dass diese Objektive konstruktiv bedingt nicht sehr lichtstark sind. Das heißt, dass Sie mit ihnen in dunklen Szenarien Fotos schneller verwackeln und dass Sie das Hauptmotiv nicht so gut vom Hintergrund oder vom Vordergrund isolieren können (Stichwort Schärfentiefe).
Festbrennweiten-Objektive
Ihr Vorteil liegt ganz klar in der besseren Bildqualität. Weniger optische Elemente und die fehlende Zoom-Mechanik im Objektivinneren, lassen ausreichend Raum für größere und bessere Linsen sowie eine genauere Justage der Bauteile. Außerdem sind einzelne Festbrennweiten meist kleiner und leichter. Wenn Sie also vorher genau wissen, welche Motive Sie erwarten, dann können Sie Ihr Fotogepäck auf Leichtgewicht trimmen, indem Sie genau die benötigte(n) Brennweite(n) einpacken.
Und dann kommt noch die beliebte optische Eigenschaft des so genannten Bokehs zum Tragen. Durch eine besonders große Blendenöffnung ist der Fotograf in der Lage, Vorder- und Hintergrund in Unschärfe verschwinden zu lassen, und somit lediglich das Hauptmotiv scharf abzubilden. Klassische Anwendungsfälle sind Porträtfotos oder das beliebte Urlaubsmotiv „Scharfe Blume vor unscharfem Hintergrund“.
Nachteil der Festbrennweite ist, die Festlegung auf genau einen Bildwinkel. Das kann bei unklaren oder schnell wechselnden Fotosituationen kontraproduktiv sein.
Was bedeutet das für die Immobilienfotografie?
Bei Immobilienfotos kollidieren meist zwei verschiedene Wünsche: Sie wollen die bestmöglichen Aufnahmen, wollen aber gleichzeitig mit möglichst leichtem Foto-Gepäck unterwegs sein. Meine Empfehlung lautet daher nicht Zoomobjektiv ODER Festbrennweite-Objektiv, sondern Zoom UND Festbrennweite – wobei das Weitwinkelzoom das Hauptwerkzeug bleibt.
Bildwinkel
Wenn Sie ein Immoblienobjekt fotografieren, erwarten Sie unterschiedlichen Räume mit verschiedenen Größen. Demzufolge ist ein Zoomobjektiv ideal, weil Sie mit einem Objektiv verschiedene Szenarien abdecken können. Für Innenaufnahmen sollte es möglichst ein Ultra-Weitwinkel-Zoom sein, das über mindestens 16-24 mm Brennweite* verfügt. Damit lassen sich die meisten normal großen Räume formatfüllend abbilden.
Bildqualität
Doch was ist mit der schlechteren Bildqualität von Zoomobjektiven gegenüber Festbrennweiten? Greifen Sie beim Objektivkauf nicht in das allerpreiswerteste Fach im Regal, denn bleiben Sie bei den bekannten Kamera- oder Objektivmarken, können Sie schon einiges an Bildqualität retten.
Diese Rettungsaktion hat beim Fotografieren vor Ort dann ihre Fortsetzung. Immobilien sind – wer hätte das gedacht – meist statische Motive. Also hat sich folgende Vorgehensweise für eine gute Bildqualität bewährt:
- Stabilisieren Sie die Kamera.
- Stellen Sie für das Zoomobjektiv einen höheren Blendenwert ein.
- Gleichen Sie den damit einhergehenden Lichtmengenverlust durch eine längere Belichtungszeit aus.
Durch die Kamerastabilisierung, beispielsweise auf einem Stativ, verhindern Sie verwackelte Bilder und können mit langen Belichtungszeiten fotografieren. Durch den kleineren Blendenwert lassen sich die sichtbaren Qualitätsmängel zum Teil erheblich reduzieren. Einige andere Bildfehler können anschließend in der Bildbearbeitung per Mausklick nahezu unsichtbar gemacht werden.
Freistellen & Schärfentiefe
Für ganzheitliche Raumaufnahmen benötigen Sie die Objektiv-Funktion zum Freistellen einzelner Objekte nicht. Schließlich soll der gesamte Raum scharf abgebildet werden. Insofern sind Sie mit einem Ultra-Weitwinkelzoom im Vorteil. Für Detailaufnahmen empfehle ich jedoch, sich ein kleines aber gutes Festbrennweitenobjektiv von ca. 50 mm Brennweite* zuzulegen. Diese verhältnismäßig preiswerten Wunderlinsen können Sie sehr weit aufblenden und damit einen wunderschönen Freistellungseffekt erzielen, so dass beeindruckende Details besonders gut zur Geltung kommen.
Preis & Leistung
Und hier wird auch sofort eine alte Fotografenregel deutlich: Brillanz und Schärfe erhält ein Foto zunächst nur durch ein exzellentes Objektiv. Von Sonderangeboten oder von so genannten billigen Kit-Objektiven (die meistens bei der Kamera dabei sind) sollten Sie für gewerbliche Fotoaufgaben die Finger lassen. Entscheidender finanzieller Vorteil: Ein höherwertiges und nicht ganz billiges Objektiv überlebt gut und gerne mehrere Kameramodelle des gleichen Systems. Pflegen Sie es, ist es eine Einmal-Anschaffung. Mein ältestes Objektiv ist über 30 Jahre alt und funktioniert tadellos an der 7. Kamerageneration.
Fazit
Die Entscheidung, ob Sie in der Immobilienfotografie besser mit einem Zoomobjektiv oder Festbrennweite-Objektiv arbeiten, ist relativ einfach.
Das Zoomobjektiv ist das Arbeitspferd und hilft Ihnen bei den allermeisten Innenraumsituationen und auch bei Außenaufnahmen sehr gut.
- Sie sparen Platz und Gewicht.
- Die Bildqualität ist ab dem mittleren Preissegment ausreichend gut.
- Wichtig ist es, den richtigen Brennweiten-Bereich zu treffen. 14-30 mm* (10-20 mm am kleinen Sensor) sind ideal.
Für Detailfotos eignet sich eine Festbrennweite von etwa 50 mm*, damit man das Bildmotiv gut vom Hintergrund freistellen kann. Wenn Sie die Auswirkungen von Blende, Belichtungszeit, Schärfentiefe und Brennweite und einen eleganten und effizienten Foto-Workflow mit Stativ, Kamera und Objektiven genauer kennenlernen möchten, dann kann ich Sie nur zu meinen Fotoworkshops für Immobilienprofis einladen.
Objektivempfehlungen – Zoomobjektiv oder Festbrennweite
Je nach Kameratyp und Objektivanschluss gibt es verschiedene geeignete Zoomobjektive
- Nikon
- Spiegelreflex F Vollformatsensor: Tamron SP 15-30 mm
- Spiegelreflex F DX-Sensor: Nikon AF-P 10-24 mm
- Spiegellos Z Vollformatsensor: Nikon Z 14-30 mm
- Spiegellos Z DX-Sensor: Nikon AF-S 10-24 mm mit FTZ-Adapter
- Canon
- Spiegelreflex E Vollformatsensor: Canon EF 16-35 mm
- Spiegelreflex E APS-C-Sensor: Sigma 10-24 mm
- Spiegellos R Vollformatsensor: Canon RF 15-30 mm
- Sony
- Spiegellos Vollformatsensor: Sony FE 16-35 mm
- Spiegellos APS-C-Sensor: Sony SEL 10-18 mm
Bei den Festbrennweiten für Detailaufnahmen ist es wenig sinnvoll zwischen den Sensorgrößen zu unterscheiden. An Vollformat sind es dann ca. 50 mm Brennweite* und an den kleineren Sensoren sind es eben 70-80 mm effektive Brennweite*.
- Nikon
- Spiegelreflex F: Nikon AF-S 50 mm
- Spiegellos Z: Nikon Z 40 mm
- Canon
- Spiegelreflex E: Canon EF 50 mm
- Spiegellos R: Canon RF 50 mm
- Sony
- Spiegellos: Sony FE 50 mm