Wann ist die Bild-Retusche für Immobilienfotos ausreichend?

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 11. Oktober 2021 - in: Fragen und Antworten

Wann ist die Bild-Retusche für Immobilienfotos ausreichend?Keine Überraschung: Es gibt viele schlechte Immobilienfotos. Das liegt nicht nur an lieblos geknipsten Bildchen, bei denen die Macher die Wirkung ihrer Aufnahmen unterschätzen. Manche Immobilienprofis fühlen durchaus, dass ihre Fotos verbessert werden müssen. Einige versuchen, die Mankos per Bild-Retusche zu retten.

Nicht selten schießen sie dabei jedoch über das Ziel hinaus. Da stellt sich natürlich die Frage, wieviel Retusche ein Bild verträgt, damit das Ergebnis nicht verfälscht wird.

Dabei kann ein ordentlich fotografiertes Foto schon nach 2 Minuten Retusche viel besser aussehen. Mehr dazu weiter unten

Bei der Retusche unterscheidet man zwei Bereiche:

  • Die globale Retusche betrifft die Beseitigung potenzieller Bildfehler, die trotz guter Aufnahmetechnik nicht zu verhindern waren. Sie werden auf das gesamte Bild angewendet.
  • Die lokale Retusche betrifft die Veränderung von Bildteilen durch Hinzufügen oder Entfernen sowie durch Manipulieren von Bildelementen.

Globale Retusche für mehr Realismus

In die erste Kategorie gehört die Korrektur von Objektivfehlern. Die Kamerahersteller bauen in der Regel recht gute Objektive, damit die Kamera eine annehmbare Bildqualität erzeugt. Allerdings müssen sie auch Kompromisse eingehen, wenn es um Größe, Gewicht und Preis geht, damit ihre Produkte marktfähig bleiben. Also haben auch gute handliche Objektive kleine optische Fehler – insbesondere an den Bildrändern – die zu verschmerzen sind. Zum Glück sind diese für alle Linsen einer Serie annähernd gleich. Daher können Sie diese in der Bildbearbeitung mit entsprechenden Profilen korrigieren.

Außerdem sind alle guten Immobilienfotos exakt ausgerichtet. Das bedeutet, dass ALLE senkrechten Linien am Bau auch im Bild senkrecht dargestellt sind.  Das sollten Sie zuallererst schon bei der Aufnahme berücksichtigen. Richten Sie nämlich extrem schiefe Fotos nachträglich am Computer gerade aus, entstehen eigentümliche Verzerrungen und Verwerfungen, die das Bild um so unrealistischer aussehen lassen.

links: vor der globalen Retusche – rechts: nach der globalen Retusche (Objektivverzeichnung, senkrechte Linien, Tonwerte, Farben)

Farben suggerieren Lebendigkeit. Allerdings gilt es, bei der Immobilienfotografie, realistische Farben zu zeigen, die dem Original entsprechen. Das betrifft sowohl die Sättigung, also wie grell die Farben dargestellt werden, als auch die Farbtöne an sich. Sie ist auch von der Qualität und Einstellung des jeweiligen Bildschirms abhängig.

Besonderes Augenmerk erhalten die so genannten Tonwerte. Ihre Retusche betrifft sowohl Helligkeit und Kontrast, aber auch der Detailreichtum in den hellsten und den dunkelsten Bildteilen. Selbst professionelle Kameras können hier nicht mit dem menschlichen Sehvermögen mithalten. Die richtige Aufnahmetechnik und die passenden Retusche-Werkzeuge helfen Ihnen hier weiter.

Und letztlich muss ein Bild scharf sein. Das hat auch mit erkennbaren Details zu tun. Grundsatz: Ein scharfes Foto entsteht nur in der Kamera. Denn unscharf fotografierte Aufnahmen können Sie nicht wirksam retten. Für verschiedene Ausgabemedien lässt sich die Bildschärfe aber anpassen. Auch hier müssen Sie sehr vorsichtig vorgehen.

Lokale Retusche mit Bedacht

Moderne Retuschewerkzeuge und das Wissen, wie diese einzusetzen sind, verführen manchen Bild-Aktivisten recht schnell zu unüberlegten Motivkorrekturen. Es entstehen Motive, die es in der Realität so nicht gibt. Listige Zeitgenossen schneiden zum Beispiel Büsche digital aus und pflanzen sie vor dem Feuchtigkeitsschaden am Regenfallrohr ebenso digital wieder ein. Oder es werden sehr gern Verkehrsschilder, Hydranten oder Starkstromleitungen aus den Bildern entfernt, um ein harmonischeres Umfeld vorzugaukeln. Diese Irreführung halte ich nicht für zulässig.

Möglich sind sie nur, wenn beispielsweise entsprechende Veränderungen und Reparaturen bis zur Vertriebsphase tatsächlich noch erfolgen und dazwischen einfach keine Zeit für neue Fotos ist.  Dann müssen sie aber wirklich professionell ausgeführt werden, denn vielfach fallen solche Retuschen reichlich dilettantisch aus.

links: vor der lokalen Retusche – rechts: nach der lokalen Retusche (Farbton, Helligkeit, Stuhl)

Es gibt einige Ausnahmen, bei denen die Retusche der Bildinhalte akzeptabel ist. Das betrifft eigentlich alle beweglichen Gegenstände wie Mobiliar oder Deko, die ja beliebig austauschbar sind. So kann man bei Einrichtungsgegenständen Flecken, Falten oder Kratzer entfernen, störende Leuchtanzeigen von Elektrogeräten per Bildbearbeitung ausschalten oder störrische Verlängerungsschnüre aus dem Bild tilgen.

Und natürlich können Sie lokale Korrekturen auch für Farben und Tonwerte vornehmen, beispielsweise, um die Lichtfarbe einer künstlichen Lichtquelle anzupassen oder um zu starke Schatten aufzuhellen.

Ein Sonderfall ist der Austausch des Himmels. Hier müssen Sie großes Augenmerk auf die Umgebungsbedingungen, wie Schattenwurf, Tageszeit, Reflexionen und Farbstiche legen.

In jedem Fall gilt: Die lokale Retusche dürfen Sie nur mit Bedacht ausführen.

Mehr Retusche! Wann reicht’s?

In nahezu jedem Bild gibt es immer noch kleine Verbesserungen, die das Ergebnis weiter perfektionieren. Andererseits haben Fotos für den Vertrieb von Immobilen meist keine lange Vorhaltezeit. Es gilt also, Aufwand und Nutzen richtig abzuwägen, um effizient zu arbeiten.

Wann ist ein Bild also ausreichend retuschiert? Ich sage mal, wenn die Basisbildbearbeitung – also die globale Retusche – abgeschlossen ist. Dazu gehören die Korrekturen der Objektivfehler, der senkrechten Linien, der Tonwerte, der Farben, der Schärfe und des Bildausschnitts.

Wie lange braucht man dazu? Das hängt natürlich davon ab, wie gut zuvor fotografiert wurde. Den Teilnehmern in meinen Bildbearbeitungs-Workshops gelingt diese Basisbildbearbeitung am Ende des Seminartages in rund zwei Minuten pro Bild. Ich setze dieses Ziel immer am Anfang der Veranstaltung und ernte dafür ungläubiges Staunen. Am Ende des Tages sind aber alle froh, dass sie dieses Ziel erreicht haben.

Für die hochwertige Publikation oder für besondere Auftraggeber kann man dann mit lokaler Retusche nachhelfen, um dem perfekten Bild nahe zu kommen.

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