Muss man Immobilienfotos bearbeiten?

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 31. Januar 2022 - in: Fragen und Antworten

Muss man Immobilienfotos bearbeiten?Diese Frage stellen sich viele Immobilienprofis. Die meisten verstehen unter Immobilienfotos bearbeiten, dass sie ihr Foto etwas aufhellen, einen Farbfilter drüberlegen und das Bild gegebenenfalls scharfzeichnen. Besonders ambitionierte Makler tauschen auch gern mal den Himmel aus oder versetzen Möbel und Bäume.

Immobilienfotos bearbeiten – die Gründe

Schon bei der Aufnahme versuche ich immer, das bestmögliche Foto aufzunehmen. Das grenzt die erforderlichen Schritte beim Immobilienfotos Bearbeiten erheblich ein und spart immens Zeit.

Um aber auf die Frage im Titel zu antworten: „Ja. Ich bearbeite alle meine Immobilienfotos.“

Doch plädiere ich dafür, die Bildbearbeitung nach verschiedenen Kriterien zu gewichten, denn die Mankos in Immobilienfotos haben verschiedene Ursachen:

  1. Mängel an der Fotoausrüstung (selbst wenn diese recht leistungsstark ist)
    sind fast immer vorhanden
  2. Kompliziertes Licht mit starken Kontrasten zwischen Innen- und Außenbeleuchtung
    ist fast immer vorhanden
  3. Fehler im Motiv
    kommen manchmal vor, wenn zum Fotografieren nicht die nötige Ruhe herrschte
  4. Fehlbedienung der Kamera
    kommt sehr selten vor

Ist Bildbearbeitung aufwändig?

Ich habe einen 8-Schritt-Workflow entwickelt, mit dem sich gut fotografierte Immobilienfotos sehr zügig bearbeiten lassen. In meinen Aufbau-Workshops zum Thema Bildbearbeitung für Immobilienfotos benötigen die Teilnehmer am Ende des Tages unter 2 Minuten pro Bild für die Basisbearbeitung. Jedes Mal ist jeder einzelne Teilnehmer erstaunt, wie einfach er oder sie viel mehr Qualität aus den Aufnahmen herausholen kann – selbst wenn diese schon ganz gut fotografiert sind.

So hilft Bildbearbeitung: Links – Aufnahme direkt aus einer einfachen Kamera / Rechts – In 8 Schritten ist das Bild optimiert.

Optische Korrekturen

Zugegeben – es hört sich etwas eigentümlich an: Da geben Sie einen vierstelligen Betrag für eine Top-Fotoausrüstung aus, und dennoch bringt das Objektiv optische Fehler mit. Klar, je teurer eine Linse ist, um so besser ist sie optisch korrigiert, aber gerade im Weitwinkelbereich erreicht die Technik recht schnell ihre Grenzen. Es ist für die Hersteller eben finanziell nicht machbar, massentaugliche Spitzenobjektive zu marktfähigen Preisen zu entwickeln, die keinerlei Fehler aufweisen.

Objektivkorrekturen-Palette in Adobe Lightroom Classic

Objektivkorrekturen-Palette in Adobe Lightroom Classic

Das müssen sie auch nicht, denn gute Software kann diese Fehler häufig mit wenigen Mausklicks nahezu automatisch beseitigen. Bei diesen Fehlern handelt es sich im Wesentlichen um vier verschiedene Mankos:

  • gebogene Kanten an den Bildrändern
  • Abnahme der Bildschärfe zu den Rändern hin
  • Farbsäume an den Kontrastkanten (Chromatische Abberationen)
  • graduelle Abschattung in Richtung der Bildecken (Vignettierung)

Im von mir bevorzugten – und auch in meinem Bildbearbeitungs-Workshop empfohlenen und verwendeten – Programm Adobe Lightroom Classic hake ich zur Korrektur dieser hässlichen Fehler lediglich zwei Optionen an der richtigen Stelle an. Die Software kennt die Fehler der einzelnen Objektive von selbst und arbeitet mit einem Korrekturprofil, das in Echtzeit angewendet wird. Für fast alle gängigen Kamera-Objektive sind solche Korrekturprofile vorhanden. Für dennoch unbekannte Objektive kann man mit verwandten Profilen experimentieren oder sein eigenes Korrektur-Set anlegen.

Kleine Fehler bei der genauen Ausrichtung der Kamera lassen sich ebenso in der Software mit wenigen Mausklicks (maximal 4) beseitigen.

Korrekturen der Belichtung und der Farben

Die starken Lichtgegensätze von Innenlicht und Außenlicht, das beispielsweise zu den Fenstern hereinströmt, können wir mit unserem Sehvermögen in der Regel gut ausgleichen. Wir bemerken das oft gar nicht.

Kameras hingegen sind in dieser Disziplin, beim so genannten Dynamik-Umfang sehr limitiert. Profi-Kameras erfassen etwa den halben Helligkeitsbereich der menschlichen Augenleistung, bei Smartphones landet man häufig bei einem Drittel.

Dennoch gibt es Möglichkeiten, nachträglich das eingefangene Helligkeitsspektrum zu spreizen. Zum einen geht das über die Einstellungen in der Bildbearbeitungssoftware, mit der man die so genannte Tonalität der Bilder bearbeitet. Dabei wird in den hellsten und in den dunkelsten Bildbereichen nach kaum noch sichtbaren Details gesucht, um diese zu verstärken. Das gelingt um so besser, je mehr Bildinformationen die Fotodatei gespeichert hat – die Datei sollte beim Abspeichern in der Kamera möglichst wenig komprimiert werden.

Die Rettung für Immobilienfotos – das RAW-Format

Eingangs schrieb ich, dass die Aufnahmen schon in der Kamera bestmöglich eingefangen werden sollen. Das betrifft nicht nur die Beleuchtung, den Bildausschnitt und die Ordnung im Motiv. Es geht auch darum, in der Bilddatei die größtmögliche Informationsvielfalt zu speichern. Wer im herkömmlichen JPG-Format fotografiert (das ist bei vielen Kameras die Standardeinstellung), nimmt in Kauf, dass ein Großteil der versteckten Bildinformationen gelöscht wird, um wenig Speicherplatz zu belegen. Hier findet eine erste brutale Bildbearbeitung quasi schon in der Kamera statt.

In der Immobilienfotografie sind diese Informationen aber überlebenswichtig, weil sich damit durch das Immobilienfotos Bearbeiten viele Bilddetails hervorholen lassen, die entweder in den ganz hellen oder den ganz dunklen Bildbereichen verschluckt zu sein schienen. Auch die Farben lassen sich damit besser retten. Dazu können moderne Kameras im so genannten RAW-Format fotografieren, bei dem alle Infos, die die Kombination von Objektiv und Kamerasensor vor Ort einfangen konnten, unangetastet in der Bilddatei abgespeichert werden.

RAW-Dateien müssen aber zwingend bearbeitet werden, und sie können meist nicht ohne spezielle Software am Computer angezeigt werden. Da ich meine Bilder aber ohnehin bearbeite, nutze ich zur Ansicht und Retusche Adobe Lightroom Classic. Erst danach erzeuge ich daraus eine gängige JPG-Datei, die alle Details beinhaltet und trotzdem eine kleinere Speichergröße aufweist.

Zum Thema RAW-Format gibt es hier einen eigenen Beitrag.

Die hohe Schule zur Erzielung eines großen Lichtspektrums ist die Herstellung von HDR-Aufnahmen (HDR – High Dynamic Range – Hoher Dynamikumfang). Hierbei werden vom exakt gleichen Bildausschnitt nacheinander mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Helligkeiten erstellt. Die Bildbearbeitungssoftware nimmt aus allen Fotos die korrekt belichteten Bereiche und blendet sie nahtlos übereinander. Einige Kameras bieten an, diese HDR-Funktion gleich bei der Aufnahme auszuführen. Davon rate ich aber ab, weil die nachträgliche Bearbeitung auch hier meist nicht sonderlich feinfühlig erfolgen kann.

Retusche einzelner Bildelemente

Aktuelle Software lässt uns fast alle Freiheiten, ein Bild zu manipulieren.

Fake Sky – Die Sonne lässt sich nicht erzwingen

Die wohl am häufigsten ausgeführte lokale Retusche an Immoblienfotos ist der Einbau eines sonnigen Himmels. Darauf sind viele Makler stolz. Allerdings merkt der Betrachter in den meisten Fällen, dass mit dem Bild irgend etwas nicht stimmt. Wurde das Objekt bei grauem Himmel aufgenommen, passen die ganzen Schatten nicht mehr, weil sie für Sonnenwetter viel zu weich sind. Auch die erwarteten Reflexionen in allen glänzenden Flächen fehlen.

Himmel schlecht ausgetauscht: links – Originalaufnahme – rechts: Fake Himmel eingesetzt. Handwerklich gut gemacht, aber man merkt, dass da etwas nicht stimmt.
Der Grafitti-Austausch an der Fassade erfolgte auf Bitten des Verwalters (der Maler wollte am nächsten Tag kommen).

Wollte man diese Mängel in der Bildbearbeitung beheben, wäre es vielfach preiswerter, einfach noch einmal an einem schönen Tag die gleiche Aufnahme zu machen. Das Unwohlsein des Betrachters eines zusammengeschummelten Bildes muss jedoch unbedingt verhindert werden, weil Immobilienfotos als Werbeaufnahmen immer mit einem guten Gefühl angeschaut werden sollen.

Vergrößerter Ausschnitt aus einer Außenaufnahme – links: Maulwurfshügel zieren den Rasen, rechts: digitaler Kammerjäger durch Photoshop

Es kann aber auch vorkommen, dass mit den Retuschewerkzeugen digitale Bau- und Gartenarbeiten ausgeführt werden, wenn eine Immobilie im Vertriebsprozess frühzeitig fotografiert werden muss. Es lassen sich Graffiti-Künste eliminieren, fehlender Wandputz lässt sich ersetzen, unglücklich verlaufende Rohre können verschwinden, störende Äste sind zu entfernen oder Maulwurfshügel werden eingeebnet. Ich halte es aber für selbstverständlich, dass diese Arbeiten vor der Freigabe einer Immobilien zur Besichtigung auch in Wirklichkeit am Objekt stattgefunden haben. Ansonsten nähme das Vertrauen in die Seriosität des Maklers Schaden. Diese Retuschen dürfen nicht in Fälschungen übergehen.

Und dann gibt es noch Retuschen, die eine Bildaussage nicht verfälschen. Dazu gehört zum Einen die Berichtigung aller mobilen Gegenstände, aber auch das Entfernen von unerwarteten Spiegelungen und Schatten, die sich durch den gewählten Bildausschnitt nicht erklären lassen.

Immobilienfotos bearbeiten – der letzte Schliff

Außerdem muss man mit der Bildbearbeitung den Fotos final den nötigen Knack verleihen. Dazu dient einerseits eine leichte Anhebung der Bildschärfe aber auch die Korrektur der Mitteltonkontraste, so dass auch die Bildelemente in den mittleren Tonwerten sich etwas mehr von einander abheben. Das Auge des Betrachters wird das lieben.

Auch das Definieren des genauen Weißwertes und des Schwarzwertes ist wichtig, insbesondere, wenn Sie die Aufnahmen in irgendeiner Form drucken möchten.

Fazit

Will man starke Aufnahmen, muss man Immobilienfotos bearbeiten. Es lassen sich

  • technische Fehler beheben
  • mehr Details sichtbar machen
  • korrekte Helligkeiten und Farben einstellen
  • kleine Korrekturen an Motivteilen vornehmen.

Diese nachträglichen Reparaturen haben das Ziel, dem Betrachter ein möglichst angenehmes Gefühl beim Betrachten der Bilder zu geben. Auch wenn dieses Gefühl nur wenige Sekunden pro Bild ausmacht, so nimmt er es Bild für Bild mit und startet dann mit positiver Grundstimmung das Studium der harten Fakten zum betreffenden Objekt.

Im besten Fall hat er sich dann schon in das Objekt verliebt.

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