In der Praxis treffe ich viele Immobilienprofis, die jeweils ihre ganz eigene Sicht auf die Immobilienfotografie haben. Aus den oft sehr ergiebigen Gesprächen, die ich bei meinen Workshops, auf Fotoshoots oder bei Branchentreffen der Immo-Szene führe, habe ich zum Ende des letzten Jahres die folgenden (weil meist genannten) fünf Top-Trends 2020 herausgefiltert.
Trend 1: Detailfotos
Viele Makler bieten ihre Objekte mit langweiligen Aufnahmen an. Sie betreten einen Raum – klick – gehen in das nächste Zimmer – klick – dann in eine weitere Stube – klick – und immer so weiter, bis das ganze Objekt dokumentiert ist. Diese Eintönigkeit ist für den Betrachter – also den potenziellen Kunden – sehr ermüdend.
Aus psychologischer Sicht wäre es wichtig, den Spannungsbogen zu erhalten und mehr Neugier zu wecken. Das kann beispielsweise durch Detailfotos gelingen. Sie wirken wie ein Stopper, der sich in den Weg stellt und den Betrachter aus dem Weiterclickmodus aufweckt.
Hier geht es darum, die baulichen, technischen oder ästhetischen Highlights eines Objektes in den Mittelpunkt zu rücken. Das können beispielsweise sein:
- ein eindrucksvoller Deckenstuck
- eine historische Drückergarnitur an den Zimmertüren
- High-End-Küchengeräte
- extravagante Mischbatterien in Bad und Dusche
- der brennende Kamin im Wohnzimmer.
Tipp
Bei Motiven mit Vorder- und Hintergrund kann sehr vorteilhaft sein, so dicht wie möglich an das Motiv heranzugehen und gleichzeitig eine große Brennweite zu wählen (gegebenenfalls heranzoomen). Dadurch verstärkt sich der Effekt, dass der Vorder- und der Hintergrund in Unschärfe verschwimmen, und die Aufmerksamkeit auf das Detail gerichtet wird.
Viele Immobilienprofis, mit denen ich gesprochen habe, wollen darauf mehr Wert legen, weil sie wissen, dass die Präsentation eines Objektes fast immer dem Erstkontakt vorausgeht. Schon hier ist ein guter Eindruck unersetzlich.
Trend 2: Virtuelle Rundgänge
Auf den Branchentreffen sind sie fast immer präsent. Spezialisierte Firmen haben Stände und präsentieren dort die aktuelle Technologie für virtuelle Rundgänge. Gehören Sie zu den Top-Trends 2020?
In der letzten Zeit hat sich in diesem Bereich sehr viel getan. Allerdings sind die ganz preiswerten Lösungen nach wie vor schwierig. Im mittelpreisigen Bereich findet man aber schon recht gute Hard- und Software-Kombinationen. Natürlich sind die besonders hochpreisigen Produkte (beispielsweise Matterport) in der Qualität den anderen voraus, aber werden sie hauptsächlich von Profis oder von Tech-Nerds eingesetzt.
Tipp
Zeigen Sie Sichtachsen in benachbarte Räume. Damit schaffen Sie ausreichend Neugier, damit der Anwender immer weiterklickt.
Die immer einfachere Bedienung und Integration veranlasst immer mehr Immobilienprofis, auf ihren Homepages virtuelle Rundgänge anbieten. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen langsames Internet und hakeliges Handling das Betrachten solcher Bildwerke zur Pein machten. (Ich erinnere mich noch, als ich vor rund 5 Jahren diese Machwerke öffentlich kritisierte und mir von einigen ambitionierten Immobilienmaklern ein Sturm der Entrüstung entgegen schlug. Sie fühlten ihr Engagement für diese unzulängliche Sache offenbar nicht genug gewürdigt. Heute haben sie übrigens aufgerüstet und zeigen ihre Rundgänge in „schön“ oder haben dieses Werkzeug gänzlich beiseite gelegt.)
Gute Ergänzung für klassische Immobilienfotos
Einen Nachteil haben viele der Virtuelle-Rundgang-Systeme jedoch, den viele Immobilienprofis schon aus der normalen Fotopraxis kennen: Die Fenster und andere Lichtquellen im Raum sind sehr stark überbelichtet oder die dunklen Bereiche in einem Innenraum sind zu dunkel. Das liegt an der verwendeten Fototechnik – und hierbei insbesondere an den winzigen Sensoren, mit denen die Bilder aufgenommen werden. Die können es eben nicht besser.
Meiner Meinung nach ersetzt ein virtueller Rundgang die herkömmliche Fotogafie mit einer ordentlichen Ausrüstung nicht. Denn schon eine einfache Kamera mit großem Bildsensor kann sowohl die Details in den hellsten als auch den dunkelsten Bildteilen viel besser darstellen. Der virtuelle Rundgang kann eine gute Fotostrecke jedoch wunderbar ergänzen. Genauso könnte es aber alternativ ein Immobilienvideo sein.
Trend 3: Home Staging
Eine leere Wohnung zu fotografieren, ist einfach. Diese jedoch schön zu fotografieren, ist anspruchsvoll. Viel leichter ist es, wenn in einem Wohnraum gezielt Einrichtungselemente platziert werden.
Vor zwei Jahren durfte ich die Amerikanerin Barb Schwarz, die Erfinderin des Home Staging, erleben. Sie sagte sinngemäß: „Jede Wohnung verträgt Staging! Es gibt kein Preissegment, in dem es nicht funktioniert, denn es gibt kein Preissegment, das nicht mehr Ertrag verträgt!“ Die Aufwertung eines Wohnraums durch Einrichtungszitate gibt dem Auge des Betrachters Halt und erleichtert ihm die Vorstellung einer späteren Nutzung. Psychologie und ein gutes Gefühl führen zu einem schnelleren und besseren Abschluss.
Zwei ähnliche Fotomotive
links: professionelles Immobilienfoto ohne Home Staging
rechts: Profifoto mit Home Staging
Mit nur wenigen Accessoires wird eine Wohnsituation nachgeahmt, damit sich der Betrachter eine mögliche Raumnutzung vorstellen kann.
Immer mehr Immobilienmakler denken über den Einsatz von Home Staging nach. Einige dekorieren ihr Objekt auf eigene Faust – und sind damit manchmal nicht so glücklich. Andere setzen auf professionelle Home Stager – von denen klagte mir gegenüber bislang keiner über diese Investition. Für sie ist Home Staging viel mehr als nur ein Trend – es ist ein solides Werkzeug in einem erfolgreichen Vertriebskonzept.
So übrigens gehen Profis wie Barb Schwarz diese Aufgabe an: „Dekorieren ist nicht Home Staging. Denn Dekorieren dient dem Personalisieren eines Heims. Durch Staging wird es hingegen für den Verkauf entpersonalisiert! Das sind also 2 verschiedene Dinge!“ Auch hier arbeitet die Psychologie im Sinne des Vertriebs.
Natürlich wirkt sich eine Wohnung mit Home Staging auch auf die Fotos aus. Mehr Aussagekraft lockt eben mehr Interessenten.
Trend 4: Große Bilder
In jedem Jahr untersuche ich die High-End-Immobilien-Angebote in meinem Heimatmarkt Berlin auf die Bildqualität. Zum Glück nimmt die Zahl der Online-Exposés mit den klassischen Minibildchen, die noch im letzten Jahrtausend üblich waren (lahmes Internet, kleine Bildschirme), langsam aber stetig ab. Auch die Immobilienportale gestatten inzwischen große Bildformate.
Klickt man sich jedoch auf die Homepages der einzelnen Makler durch, erlebt man hin und wieder statische Webdesigns von vor 2012. Sie sind nur auf eine (relativ kleine) Bildgröße festgelegt, passen sich nicht der Bildschirmgröße an und funktionieren nur bedingt gut auf mobilen Geräten.
Viele Immobilienprofis wünschten, dass auch die eigene Website die Immobilienfotos im Großformat anzeigt. Denn die Bildqualität kann hier viel besser ausfallen als auf den Immobilienportalen, wo häufig durch einen unzureichenden Algorithmus die Größe des hochgeladenen Bildes skaliert und zudem die Dateigröße schlecht komprimiert werden. Das ergibt Verluste bei Details und Schärfe.
Pixelgenaues Arbeiten hilft
Für die eigene Website kann man ein so genanntes natives Bildformat erstellen, bei dem ein Pixel des Bildes genau einem Pixel der (größten) Bildanzeige auf dem Bildschirm entspricht. Die Größenänderung erfolgt also noch vor dem Hochladen der Datei – im besten Fall mit einer guten Grafiksoftware, die ein starkes Skalierungs- und Kompressionswerkzeug besitzt. Damit bleiben Schärfe, Details und Brillanz sehr gut erhalten (vorausgesetzt, es wurde gut fotografiert). Wie das funktioniert erlernen Makler in meinem Workshop Bildbearbeitung für Immobilienfotos mit Adobe Lightroom.
Trend 5: HDR-Aufnahmen
Auch Makler, die sich schon eine bessere Kamera mit großem Bildsensor angeschafft haben, wollen noch mehr Details in den hellsten und dunkelsten Bildbestandteilen erzielen. Denn die Immobilienfotografie hat zwischen Fensterlicht und dunklen Raumecken viele Motive mit krassen Lichtgegensätzen.
Hintergrund: Die besten Kameras können heute nur etwa die Hälfte des Helligkeitsspielraums darstellen, den unser menschliches Sehvermögen verarbeiten kann. Dieser Spielraum wird häufig als Dynamikumfang bezeichnet. In den extremen Bereichen (hell oder dunkel) müssen bei einem Foto also immer Abstriche gemacht werden. Bei Kameras mit kleinerem Sensor kann diese Dynamik aus technologischen Gründen bis auf etwa ein Viertel sinken. (Auch deshalb sind Smartphones bislang nicht wirklich für Immobilienfotos geeignet.)
Aufnahmevergleich HDR
links: Immobilienfoto ohne HDR – innen zu dunkel, außen zu hell
rechts: Immobilienfoto mit HDR – ausgeglichene Helligkeiten, die der echten Wahrnehmung entsprechen
Es gibt aber Möglichkeiten, diesen Mangel auszugleichen. Denn moderne Kameras bieten einen so genannten HDR-Modus (HDR = High Dynamic Range = Hoher Dynamikumfang) an. Dabei werden mehrere Aufnahmen mit verschiedenen Helligkeiten kurz hintereinander gemacht und in der Kamera zu einem Finalbild verrechnet. So gelangen mehr korrekt belichtete Bildbestandteile ins endgültige Bild.
Jedoch empfehle ich eine manuelle Methode. Dabei fertigt man zunächst händisch mehrere Einzelbilder des exakt gleichen Motivs mit verschiedenen Belichtungen an. Anschließend blendet die Bildbearbeitungssoftware intelligent die jeweils korrekt belichteten Bildbestandteile in einander. Außerdem hat man die Möglichkeit die entstandene Aufnahme noch weiter und genauer zu justieren. Der Aufwand ist nur unbedeutend größer, doch das Ergebnis überzeugt.
In meinen Fotoworkshops gehe ich auch auf diese HDR-Technik ein, folglich machen immer mehr Immobilienmakler von diesem einfachen Aufnahmetrick Gebrauch.
Fazit: Top-Trends 2020 sorgen für besseres Eigenmarketing
Auch wenn der Immobilienverkauf 2020 gut läuft, so steht doch jeder Immobilienprofi vor der Aufgabe, immer neue Objekte zu akquirieren. Und das funktioniert nur, indem er sich vom Wettbewerb abhebt, sein eigenes Marketing antreibt und sich in besserer Form präsentiert, damit er weiterempfohlen wird. Die Empfehlung durch zufriedene Kunden beginnt mit einer guten Immobilienpräsentation. Und hier helfen neben qualitativ guten Immobilienfotos als Basis die genannten Top-Trends 2020.
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