10 Probleme bei Immobilienfotos – Teil 4: Falsche Farben

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 20. Februar 2023 - in: Tutorials

10 Probleme bei Immobilienfotos - Teil 4: Falsche FarbenWenn ein Interessent die Farben von Fotos vor Ort nicht wiedererkennt, werden bei dieser Begehung womöglich Erwartungen enttäuscht. Erscheint eine Hausfassade nämlich auf Ihrem Foto zitronengelb und ist in Natura aber hellelfenbein, dann leidet graduell Ihre Kompetenz als Immobilienprofi. Und wieder gilt: Unterbewusst verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen, ist deutlich aufwändiger, als mit einfachen Mitteln gut zu fotografieren. Und niemals vergessen: Das Foto ist der allererste Handschlag mit dem Kunden.

Farben in Fotos können auf verschiedenen Stufen beeinflusst werden

Die korrekte Farbdarstellung zieht sich eigentlich durch den gesamten Produktions- und Nutzungsprozess eines Immobilienfotos: in der Kamera bei der Aufnahme, am Bildschirm im Büro, durch die Bildbearbeitung und am Endmedium (Bildschirm des Betrachters, Drucker, Beamer etc.). Auf die ersten drei Punkte haben Sie persönlich Einfluss. Beim letzten Punkt sind Sie auf den jeweiligen Nutzer angewiesen.

Hinzu kommt, dass in diesem Prozess Sie als Fotograf die einzige Person sind, die weiß, wie die Farben vor Ort wirklich waren. Daher ist es ganz wichtig, sich die korrekten Farben einzuprägen. Bei der späteren Begutachtung und Optimierung der Bilder sind die Erinnerungen immer mit der jeweiligen Darstellung abzugleichen.

Das sind die Stellen, an denen Sie auf die Farben Einfluss nehmen können:

  • Jede Kamera wendet beim Erstellen eines Fotos so genannte „Bildstile“, „Farbprofile“ oder „Filter“ an. Häufig haben sie beschreibende Namen wie: „Natürlich“, „Landschaft“, „Porträt“, „Brillant“, Monochrom“. Damit werden die Fotos ungefragt bereits in der Kamera bearbeitet, damit sie einem Massengeschmack entsprechen.
    Falsche Farben vermeiden: Picture Control Menü an der Nikon Z 50
  • Jeder Computerarbeiter in einer Immobilienagentur hat sich garantiert seinen Bildschirm so eingestellt, dass er die Augen schont und das Wohlbefinden stärkt. In hellen Büros werden gern Helligkeit und Kontrast für angeblich bessere Erkennbarkeit erhöht. In dunklen Arbeitsumgebungen hingegen werden sie oft heruntergeregelt, damit der Monitor nicht blendet. Mancher fühlt sich eher bei warmem Monitorlicht wohl. Und andere möchten mit einem kühlen Bild-Look der Müdigkeit am Schreibtisch vorbeugen.
  • Mit der Bildbearbeitung haben Sie ein mächtiges Werkzeug, Ihre Fotos anzupassen. Mit nur einem kleinen Zupfer an einem Regler lassen sich Farben und Tonalitäten gezielt manipulieren.
  • Die externen Einflüsse sind schwer kalkulierbar.
    • Was auf den Bildschirm im Immobilienbüro zutrifft, trifft natürlich auch auf den Monitor des Endanwenders zu. Die Einstellungskombinationen für Internet-User sind schier unendlich.
    • In einer Druckerei lassen sich die Farben noch direkt in der Druckmaschine beeinflussen. Weiß aber der Drucker, wie es vor Ort aussah?.
    • Und in meinen Foto-Workshops merke ich immer wieder, wie auch gute Beamer durch individuelle Einstellungen (durch den vorherigen Yogakurs, haha)  ein perfektes Bild ruinieren können.

Lösungen

Für die farbkorrekte Bildproduktion müssen Sie etwas Disziplin in Kauf nehmen.

  1. Kameraeinstellungen

    Lassen Sie sich nicht von den schönen Namen der Farbprofile / Bildstile / Filter in Ihrer Kamera verführen. Auch wenn wir brillante Fotos wollen, erzeugt der Stil „Brillianz“ womöglich Dinge, die wir gar nicht möchten. Stellen Sie das Kameraprofil am besten auf „Neutral“ und übernehmen Sie die Entscheidungsgewalt über den Bildstil bei der Nachbearbeitung Ihrer Fotos.
    Wenn Sie erst gar nicht in diese Falle tappen wollen, dann stellen Sie als Dateiformat für Ihre Aufnahmen „RAW“ ein. Hier wird immer ein neutrales Bild erzeugt. Der eingestellte Bildstil wird lediglich für die Anzeige des Fotos in der Kamera benutzt. Für eine bessere Konsistenz würde ich ihn aber dennoch auf „Neutral“ einstellen. Mit „RAW“ zu fotografieren, bedeutet aber auch, die Bilder zwingend zu bearbeiten. Im Gegenzug haben Sie jedoch viel mehr Möglichkeiten, verborgene Qualitäten aufzudecken, die bei einer JPG-Datei einfach fehlen. Keine Angst vor RAW – Dafür gibt es meinen Workshop 😉.
    Neutrale Farben durch RAW-Format

  2. Bildschirmeinstellungen

    Genauso sollte jeder Bürobildschirm neutral eingestellt sein. Dazu empfehle ich Ihnen, jeden Bildschirm einmal zu kalibrieren. Zu desem Zweck gibt es so ganannte Kalibrierspinnen, die vor dem Bildschirm platziert werden, Falschfarben auslesen und diese über ein Farbprofil im Hintergrund korrigieren. Bekannte Hersteller sind Datacolor und Xrite. Ich selbst arbeite mit einem SpyderPro von Datacolor. Anschließend dürfen die Bildschirmeinstellungen aber nicht mehr verändert werden. Alle drei Monate sollten Sie die Kalibrierung wiederholen, weil Bildschirme altern und ihre Darstellung sich dabei verändert. Dieser Prozess dauert aber jeweils höchstens fünf Minuten.

  3. Bildbearbeitung

    Jetzt haben Sie das perfekte Ausgangmaterial und die besten Arbeitsbedingungen für die Optimierung der Fotos. Sie erinnern sich an die tatsächlichen Farben vor Ort und können nun die Farbstimmung, die Helligkeiten, Kontraste und die Sättigung genau anpassen.
    Kleiner Tipp: Beginnen Sie immer mit dem Weißabgleich. Dann hat auch das Licht auf dem Foto eine neutrale Stimmung. Manchmal ist sie in Innenräumen etwas kühl. Dann ziehen Sie den Temperaturregler einfach einen Hauch nach oben.


    links: Neutral wiedergegebene Hausfassade, die dem Original entspricht – rechts: Ein Fall von Retuschemissbrauch:
    Übertrieben gesättigtes Bild für stärkeres Himmelsblau & Farbverschiebung für mehr Pflanzengrün

Bis hierher haben Sie alles richtig gemacht. Doch die externe Reproduktion können Sie leider nicht beeinflussen.

  • Im Fall eines enttäuschten Kunden, dem die Fassadenfarbe nun anders erscheint, haben Sie den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht und können ruhigen Gewissens auf Ihre durchgängige Expertise – auch mit guten Fotos – verweisen. Es wird wohl an seinem Monitor liegen.
  • Die Druckerei wird es freuen, wenn Sie aus einer kalibrierten Umgebung heraus arbeiten, weil sie dann nicht soviel falsch machen kann.
  • Und für meine Workshopteilnehmer vor dem dejustierten Beamer habe ich eine ganz praktische Lösung: Ich bitte sie im Ernstfall direkt an mein kalibriertes Notebook, um sich die Demofotos „im Original“ anzuschauen.
 

Über diese Serie

Es gibt viele schlechte Immobilienfotos. Damit das bald ein Ende hat, gibt es diese Serie.

Jede Episode dieser Artikelserie nimmt eines der Probleme unter die Lupe, erklärt die Ursache und bietet eine oder mehrere Lösungsmöglichkeiten an.

Alle diese Fragen tauchen auch immer wieder in meinem Praxisworkshop zum Thema Immobilienfotografie und in meinem Bildbearbeitungsworkshop für Immobilienfotos auf. Dort ist es für mich natürlich noch einfacher, Ihnen direkt an einem Fotoszenario und mit Ihrer eigenen Kamera oder an Ihrem Laptop zu zeigen, wie Sie solche Fehler vermeiden können.

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