10 Probleme bei Immobilienfotos – Teil 6: Kanten schräg

Oliver M. Zielinski Oliver M. Zielinski - 8. Mai 2023 - in: Tutorials

10 Probleme bei Immobilienfotos - Teil 6: Kanten schrägDer Maurer hat eine Immobilie mit einer Wasserwaage gebaut (sollte man zumindest annehmen). Deshalb sind viele Gebäudekanten, auch tatsächlich in lot- und waagerecht. Weshalb also werden sie in vielen Immobilienfotos schräg abgebildet? Schiefe Kanten sorgen immer für Dynamik und Aufregung. Und genau die können Sie im Immobilienvertrieb nicht gebrauchen.

Deshalb zeichnet das Einhalten gerader Kanten richtig gute Immobilienfotos aus.

Falsche Kamerahaltung macht die Kanten schräg

Wer Immobilien bequem fotografieren möchte, macht einfach Schnappschüsse nach folgendem Muster: Raum betreten – Fenster suchen – Anvisieren – Fotografieren – Raum verlassen.

Wenn Sie jedoch einen normal hohen Wohnraum aus stehender Position fotografieren, dann neigen Sie die Kamera instinktiv nach unten. Ähnliches gilt übrigens für Außenaufnahmen, nur dass dabei die Kamera unbewusst nach oben geneigt wird. In beiden Fällen werden die senkrechten Kanten schräg abgebildet, in Innenräumen laufen sie nach unten zusammen, bei Außenfotos konvergieren sie nach oben. In beiden Fällen spricht der Fotograf von „stürzenden Linien“. Weshalb ist das aber so?

  • Bei Innenräumen möchten Sie auch den Fußboden zeigen, deshalb neigen Sie die Kamera nach unten – die Senkrechten sind folglich schräg abgebildet.
  • Auf Außenaufnahmen soll die gesamte Fassade zu sehen sein, deshalb neigen Sie die Kamera leicht nach oben – auch hier werden die senkrechten Gebäudekanten schräg fotografiert.

Die meisten Fotografen haben aber Schwierigkeiten, gleichzeitig den Bildausschnitt zu kontrollieren, einen Blick auf die Einstellungen zu werfen, auszulösen und die Kamera genau gerade zu halten. Viele sind einfach „blind“ für schräge Kanten. Da sie das Original kennen, übersetzen ihre grauen Zellen die Projektion eines schiefen dreidimensionalen Gebildes auf das zweidimensionale „flache“ Foto.

Lösungen

Zunächst müssen wir überlegen, welche Bewegungen mit der Kamera ausgeübt werden. Sie können die Kamera in drei Richtungen (Dimensionen) bewegen.

  1. das Objektiv nach rechts oder links schwenken (X-Dimension)
  2. das Objektiv nach oben oder nach unten kippen (Y-Dimension)
  3. die Kamera um den Objektivmittelpunkt drehen (Z-Dimension)
Die drei Dimensionen der Kameraausrichtung

Die drei Dimensionen der Kameraausrichtung

Natürlich sind beliebig viele Kombinationen möglich. Deshalb sollten Sie immer eine Dimension nach der anderen justieren. Im Wesentlichen gibt es drei Szenarien, mit diesen Dimensionen zu arbeiten.

  1. Wenn Sie das Motiv mit schräger Perspektive aufnehmen, also die Kamera in den Raum hinein schwenken, weil Sie aus einer Ecke heraus fotografieren, dann sind alle waagerechten Kanten am Baukörper automatisch schräg. Das hängt mit der zuvor erwähnten 3D-2D-Projektion zusammen. Schiefe Waagerechte durch die X-Dimension dürfen Sie also nicht beunruhigen.
    Bleiben demzufolge nur noch zwei Dimensionen, die Sie gut ausrichten müssen: Y- und Z-Dimension (Kippen und Drehen), damit die senkrechten Kanten am Baukörper auch im Foto senkrecht dargestellt werden.
    Motiv mit schräger Perspektive
  2. Falls Sie Ihr Motiv mit gerader Perspektive aufnehmen, also parallel einer Wand gegenüberstehen, dann müssen die senkrechten UND die waagerechten Kanten der gegenüberliegenden Wand exakt abgebildet werden. Nur die in den Raum hineinführenden waagerechten Kanten (beispielsweise Fußboden- und Deckenanschlüsse) dürfen strahlenartig schräg verlaufen. In diesem Fall muss die Kamera jedoch in allen drei Dimensionen exakt ausgerichtet werden.
    Motiv mit gerader Perspektive
  3. Es gibt seltene Situationen, in denen Sie keine andere Möglichkeit haben, als die Kamera stark zu kippen (Y-Dimension) – beispielsweise, wenn Sie sehr kleine Räume fotografieren müssen. Für harmonische Proportionen sollten Sie die Z-Dimension (Drehen) beachten, damit die Mittelachse senkrecht dargestellt wird.
    Motiv mit geneigter Perspektive

Damit Sie gut ausgerichtete Immobilienaufnahmen machen, sind bestimmte Kameraeinstellungen oder etwas Zusatzausrüstung empfehlenswert. Damit können Sie sich der idealen Kameraausrichtung hervorragend annähern.

Beginnen wir mit der Y- und Z-Dimension:

Gitterlinien

GitterlinienBlenden Sie in Ihren Sucher oder auf Ihrem Kamerabildschirm Gitterlinien ein. Diese Funktion hat heute eigentlich jede Kamera. Dann richten Sie die Kamera so aus, dass diese Rasterlinien parallel zu senkrechten Kanten am Baukörper verlaufen.

Horizont

Wasserwaage - künstlicher HorizontEtwas einfacher ist es, wenn Sie sich auf dem Monitor der Kamera den künstlichen Horizont anzeigen lassen und die Kamera so justieren, dass alles „Grün“ ist. (Grün ist bei den meisten Kameras die bevorzugte Farbe, wenn alles lot- und waagerecht ist.)

Wasserwaage

Kamera mit Wasserwaage im BlitzschuhNoch einfacher wird es, wenn sie eine kleine Wasserwaage benutzen und diese auf dem Blitzschuh Ihrer Kamera befestigen. Jetzt können Sie ganz bequem die Kamera in den zwei Dimensionen ausrichten, ohne dass Sie die Kontrolle über den Sucher vornehmen müssen. Wenn die Kamera dabei auf einem Stativ steht, ist das noch einmal einfacher. Welches Equipment gut funktioniert, finden Sie in diesen Ausrüstungsempfehlungen.

Mittelachse

Für das vorgenannte Szenario C ist es am bequemsten, wenn Sie sich eine senkrechte Achse im Motiv suchen und die Mitte der Kamera danach ausrichten. Dann sind die absichtlich erzeugten stürzenden Linien rechts und links der Achse gleichmäßig und ergeben ein harmonisches Bild.

Für die X-Dimension (Schwenken) müssen Sie sich Anhaltspunkte am Baukörper suchen. Das können beispielsweise Muster auf dem Fußboden sein oder Motiv-Grenzen an den rechten und linken Bildrändern.

Was schräg ist, am Computer korrigieren?

Natürlich lassen sich die schiefen Kanten auch bei der Bildbearbeitung am Computer berichtigen. Wenn aber schon Ihr Ausgangsmaterial schräge Kanten in mehreren Dimensionen aufweist, kommt es fast immer zu einer Parallelverschiebung, und das retuschierte Ergebnis sieht sofort unnatürlich aus oder muss mit besonders großem Aufwand korrigiert werden.

Schwarz: Raumgeometrie einer exakt ausgerichteten Aufnahme / Rot: Verzerrte Geometrie des gleichen Raumes
durch schlecht ausgerichtete Aufnahme und nachträgliche Korrektur am Computer

Am besten ist es, wenn Sie exakt fotografiert haben und am PC nur noch die Feinstkorrektur vornehmen müssen. In meinem Bildbearbeitungs-Workshop stelle ich eine Möglichkeit vor, für die Sie nur drei Mausklicks benötigen, um beispielsweise ein Foto aus Szenario A zu perfektionieren.

 

Über diese Serie

Es gibt viele schlechte Immobilienfotos. Damit das bald ein Ende hat, gibt es diese Serie.

Jede Episode dieser Artikelserie nimmt eines der Probleme unter die Lupe, erklärt die Ursache und bietet eine oder mehrere Lösungsmöglichkeiten an.

Alle diese Fragen tauchen auch immer wieder in meinem Praxisworkshop zum Thema Immobilienfotografie und in meinem Bildbearbeitungsworkshop für Immobilienfotos auf. Dort ist es für mich natürlich noch einfacher, Ihnen direkt an einem Fotoszenario und mit Ihrer eigenen Kamera oder an Ihrem Laptop zu zeigen, wie Sie solche Fehler vermeiden können.

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